Romano Guardini Online Konkordanz
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werden; aus irgendwelcher intellektueller Planung heraus. Die würde bald versagen. Die Kunst wird darin bestehen, die lebendigen Anknüpfungspunkte zu finden. Das ethische Neu-Anfangen muß in Augenblicken geschehen, die durch ihre Natur das Moment des Neubeginns in sich enthalten: also etwa der Morgen ... oder der Beginn einer Arbeit.. oder eine Begegnung usw.
Ich hoffe, Sie haben bei diesen Ausführungen nicht das Gefühl einer Pedanterie. Sollten Sie es aber haben, dann rate ich Ihnen, diesem Gefühl zu mißtrauen. Denn es besteht die Möglichkeit, daß sich dahinter ein Nicht-Wollen, oder ein Nicht-verstanden-haben versteckt. Oder daß man noch in den törichten Vorstellungen von Erlebnis, Ursprünglichkeit, Entfaltung der Persönlichkeit usw. befangen ist.
In Wahrheit geht es hier um eines der Grundelemente der sittlichen Haltung, nämlich um den Ernst. Um die Frage, wie man aus der bloßen Vorstellung, der Phantasie, dem Gefühl in die Wirklichkeit durchdringt. Und hier dürfen wir uns zur Verdeutlichung ruhig wieder die Frage stellen, was wir uns unseren sittlichen Stand kosten lassen? Was läßt ein Skifahrer es sich kosten, um einen vollkommenen Stil zu gewinnen? Was lassen wir es uns in unserer Berufsausbildung kosten, um etwas Tüchtiges zu leisten? Ist es dann richtig, zu glauben, das sittliche Leben brauche uns nichts zu kosten? Wir könnten aus dem Handgelenk heraus sittlich in Ordnung kommen? Es ist seltsam, wie die gescheitesten Leute es fertig bringen, sich hierin selbst in einer Weise hinters Licht zu führen, die sie sich an keiner anderen Stelle ihres Lebens erlauben würden.


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