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83. Brief vom 30.05.1920, Pützchen bei Beuel. Lieber Josef Falls die neunundneunzig Wenn sich gut erledigen und noch alle möglichen sonstigen Bedingungen und Umstände eintreffen, käme ich im August nach Mooshausen. Paßt es da? Ich hatte P. Placidus auch davon geschrieben; vielleicht ließe es sich einrichten, daß er etwa die letzten Tage auch da wäre, und dann etwa noch länger bliebe? Mach Du das weiter mit ihm aus. Dann erzähle ich Dir auch all das, was sich in der Zeit zwischen unserem letzten Zusammensein ereignet hat. Mir gehts besser, körperlich und geistig. Hier hab ichs gut, vor allem Ruhe. Mit meiner Arbeit bin ich ein gut Stück ins Klare gekommen. »Die übernatürliche Ordnung in der Liturgie der Sakramente und Sakramentalien.«*691 Also gerade das, was die bisherige Theologie mit sicherstem Instinkt immer vermieden hat: das Konkrete. Nicht »der Begriff von«, oder »die Lehre von« sondern die übernat. Lebensordnung, so wie sie in ihrer ganz besonderen Gegebenheit aus Ritual Pontifikale und Weisungen des Meßbuches hervortritt. Und wird es höchst seltsame Sachen geben, kann ich Dir jetzt schon sagen. Ein ganz eigener Begriff des Wunderbaren, ganz eigene Auffassung der Natur u.s.w. Hättest Du Lust, Max Schelers feinstes Werk, die zwei Bände »Abhandlungen und Aufsätze« für den Lit. Hand.*692 zu besprechen? (Heißt jetzt »Vom Umsturz der Werte«.)*693 Ich halte es für eine sehr bedeutende Sache, in Manchem förmlich ein Anfang einer neuen Art des Philosophierens. Du tust mir einen Gefallen, denn ich hab das Ding da stehen, und komme nicht dazu. Ferner: Eine Gesamtwürdigung des guten, wirklich vortrefflichen R. Knies*694? Er hat nicht den Mut, Dir seine Sachen zu schicken, meint, es sehe aufdringlich aus. Schreibe Du ihm. In dem Mann steckt wirkliche Volkskunst allerbesten Sinnes, und ein ganz bodenwüchsiger Humor. 691 Vgl. Br. 82. 692 Literarischer Handweiser, Freiburg. 693 Max Scheler, Vom Umsturz der Werte, 1920. Scheler hatte Guardini nach dem Erscheinen Vom Geist der Liturgie zur Habilitation geraten (s. GF 122); offenbar hatte er Guardini sein neues Werk mit Bitte um Rezension gesandt. 694 Richard Knies, Schriftsteller und Gründer des Matthias Grünewald Verlages Mainz, der die meisten Werke Guardinis verlegte; vgl. GF 116-119. Werke: Die Herlishöfer und ihr Pfarrer, Mainz o. J. | ||
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