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es die Gesamtheit sei, die in die Freiheit vorschreite, bilde die Gewähr dafür, daß die Gefahren überwunden würden. Der ganze Prozeß habe einen inneren Sinn, und zwar einen positiven: den Fortschritt auf einen immer besseren Zustand der Gesamtheit. So sei es sinnlos, ethische Probleme zu stellen. Das einzige Ethos bestehe darin, mit ganzer Kraft sich in den Prozeß zu werfen, der seinerseits von der Gesamtheit, konkret gesprochen: vom Staat gelenkt werde. Wenn aber der einzelne sich dieser optimistischen Deutung nicht anschließen kann, sieht er zu klar, wie problematisch die angebliche Weisheit des Ganzen bzw. des Staates ist. Dann wird die Sinngebung negativ, und er sagt: Der ganze Prozeß geht mit Notwendigkeit auf die Katastrophe der Menschheit zu. Es ist klar, daß diese Art der Stellungnahme zwar ebenfalls eindeutig, aber dadurch nicht richtiger wird. Sie schaltet nämlich die Person des Menschen aus; sie reduziert den Menschen auf die Natur. Zwar nicht auf die erste der Wälder und Tiere, aber auf eine zweite Stufe der gleichen Natur, nämlich des naturhaft verstandenen Geschichtsprozesses. Die Wirklichkeit ist einfach nicht so, und die Nichtachtung der menschlichen Person, die Reduktion des Menschen auf Vorstellungen solcher Art werden sich aufs Verhängnisvollste auswirken. Beide Stellungnahmen sind falsch. Keine von ihnen sieht nämlich die eigentliche Wirklichkeit, den konkreten Menschen in der konkreten Geschichte. Auf ihn richtet sich das eigentliche Problem: Wie kann hier die Situation gemeistert werden? Und nicht durch formale Gesetze, durch Verbote und Kontrollinstanzen, sondern von innen heraus, durch ein Ethos, das der Situation gewachsen ist. Die Antwort ist aber so schwer, daß sie im Grunde genommen überhaupt noch kaum gewagt wird. Es sieht aus, als ob dieser eigentliche Bereich beständig mit Absicht, ja, was noch viel schlimmer ist: mit unbewußter Konsequenz vom Blick vermieden wird. | ||
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