![]() | Treffernummer: |
< | Seite 140 | > |
hat immer im Lärm der menschlichen Nöte leben müssen. Das hätte ihn zerstört, wäre in ihm nicht eine Liebe erwacht, die anders war als der Eros Platons und die Absolutheitssehnsucht Plotins. Es war die Liebe zu den Menschengeschwistern, die ihm durch sein Amt von Gott anvertraut waren. Das ist Augustinus, meine Freunde - und sagen wir nicht, er habe trotz allem sein Werk geschaffen. Das Werk, das eigentlich hätte werden sollen, hat er eben nicht schaffen können. Das wird nicht ausdrücklich gesagt; aber der Gedanke drängt sich auf, wenn man näher mit ihm umgeht. Man braucht nur das Buch zu betrachten, das in seinem Leben und in seinem Nachruhm eine so große Rolle spielt, die Civitas Dei, den Gottesstaat. Wohlmeinende, aber nicht sehr erleuchtete Lobredner sprechen von der Größe und dem Glanz des Werkes; in Wahrheit offenbart es die ganze Lebensmühsal seines Verfassers. Zu seiner Fertigstellung hat Augustinus zwei Jahrzehnte gebraucht; und jeder, der etwas vom Handwerk versteht, sieht, wie es in kärglich bemessenen freien Stunden zusammengeholt ist. Hätte sein Verfasser in Muße schreiben können, dann wäre es zur großen Synthese gediehen. Am Leitgedanken der Geschichte von Gottes Reich hätte es dargestellt, was die vorchristliche Welt war und die christliche werden sollte; das ist aber nicht wirklich zustande gekommen. Das Buch ist erschütternd zu lesen; aber man liest es zugleich in tiefer Bewunderung, denn man sieht darin das beständige Opfer denkerischer und künstlerischer Möglichkeiten für den Mann, der gerade hereinkam, vom Streit mit seinen Nachbarn erzählte und verlangte, der Bischof solle ihm helfen. Augustinus hat auf die Ewigkeit hoffen müssen. Was er in der Zeit hätte schaffen können, das hat er, glaube ich, nicht schaffen dürfen, um der Liebe willen. | ||
< | Seite 140 | > |