Romano Guardini Online Konkordanz
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78.
Brief vom 18.09.1918, Mainz.
Lieber Josef!
Mit dem Seminar ists also nichts, solang der Krieg dauert.*652 Das bedeutet für mich insofern eine Entscheidg, als ja niemand weiß, wie lange das noch gehen kann. Diese Möglichkeit scheidet für mich damit aus, wenigstens zunächst. Bleibt der Benefiziumsplan Karls.*653 Die Verwirklichung hängt in der Hauptsache an einem Mann. Bitte um ein Memento. Die Stellung ist nicht glänzend, aber ich bin wenigstens selbständig(er!) und kann zugleich in Mainz bleiben.
Was macht Dein Heliand-Aufsatz über Oer*654? Hast Du den Brauns (Canisius)*655 bekommen?
Nun hätte ich eine große Bitte. Wir sind in der größten ­Ver­legenheit wegen Schuhsohlen. Hier gibts keine zu irgend erschwinglichem Preis. 20 Mk das Paar! Könntest Du mir dort etwa 2 Paar verschaffen? Wir wären sehr dankbar, denn es ist eine Gesundheitsfrage. Vielleicht hat bei euch eher jemand. Dürfen natürlich schon was kosten, wenn's nur richtiges Leder ist. Hier bekommt man für 10 Mk Kunstledersohlen, die gleich durch sind.
Aber bei der Versendung, falls Du was bekommen kannst, bitte vorsichtig sein, und sie als Wertpaket (300 Mk) schicken, weil sie sonst sicher gestohlen werden.
Dann noch eins. Dürfen wir Dir gegebenenfalls eine Kiste mit Weißzeug zur Aufbewahrung schicken? Ist ja nichts Verbotenes, denn es handelt sich um freie, gebrauchte Hausware. Es ist um aller Eventualitäten willen. Vielleicht auch noch das eine oder andere sonst, was den Eltern besonders lieb ist ...
Hier haben die Flieger schön gehaust. Und das Unangenehme ist, daß sie nachts kommen.

652 Guardini hatte auf eine Stelle als Dozent im Priesterseminar gehofft. Vgl. BL 28.
653 Nicht ermittelt.
654 P. Sebastian (Ernst) von Oer OSB (1845, Dresden, bis 1925, Beuron), 1872-1888 Erzieher der Prinzen von Sachsen, 1889 Profeß in Beuron, Sekretär des Erzabtes Plazidus Wolter (1892-1918), Chronist, Verfasser zahlreicher religiös-pädagogischer Schriften. Guardini selbst hatte früh eine Rezension geschrieben zu: P. Sebastian Oer, Unsere Tugenden. Plaudereien, 3. Aufl. Freiburg 1908, in: Der Akademiker 2, 5 /1909/10/, 79-80 (nicht bei M.)
655 Heinrich Brauns (1868, Köln, bis 1939, Lindenberg/Allgäu), Priester, Sozialpolitiker und Reichsarbeitsminister; unter den zahlreichen Veröffentlichungen ist die von Guardini gemeinte im Canisius-Verlag nicht auszumachen.

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