Romano Guardini Online Konkordanz
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immer weniger Raum sein? Strebt die moderne Stadt nicht danach, daß man in ihr dem Leiden nicht mehr begegne? Daß es immer diskreter beseitigt sei? ... Es ist etwas Besonderes, Schönes, Furchtbares, wenn ein Mensch so ist, daß die Leidenden zu ihm drängen. Es wird ihn verzehren. Leiden stillen kostet Blut und Herzkraft.
Zu Jesus sind sie gekommen: von überall her. Aus Winkeln und Gassen und Hütten. Von allen Seiten drängte das dunkle, bittere Heer zu Ihm heran. Er legte die Hände auf, richtete empor, berührte, reinigte, machte gesund.
Ein Begebnis wird berichtet (Lk 8,26ff), das kann einem tief ans Herz gehen. Er ist in den Landstrich von Gerasa gekommen. Da tobt ein Besessener herum, nackt und zerstört, allen ein Schrecken, sich selber quälend. Der sieht Ihn von fern; wie von Gewalt gezogen, stürzt er heran, und schon von weitem schreit es aus ihm: "Was willst Du von mir, Jesus, Sohn des Höchsten? Ich bitte Dich, quäle mich nicht!" Er aber bändigt die dunklen Gewalten, macht ihn still, und wie die Leute kommen, sitzt der arme Mensch zu Jesu Füßen, ordentlich angezogen, gefriedet, und redet vernünftig aus geheiltem Geiste. Nun will Jesus ihn wegschicken. Er aber möchte bleiben. Er fühlt, hier ist er geborgen. In der Nähe von Diesem hier hat nichts Dunkles Macht. So sträubt er sich, bis Jesus ihm sagt: "Kehre heim in dein Haus und künde, was Gott an dir getan hat."
So könnte man noch vieles finden.
Es lebt um Jesus her. In Ihm waltet etwas. Es wirkt in seinen Worten, daß sie lebendig sind, Macht haben über Sinn und Herz ... Es wirkt im Befehl seines Mundes, in der Gebärde seiner Hand, und niemand kann widerstehen ... Es weht Ihm um Gestalt und Haupt und macht zurückweichen ... Es dringt hervor aus seinem Wesen und erschüttert ... Es zieht die an, deren Herz rein und offen ist, daß sie bei Ihm Heimat fühlen ... Es spricht in Not und Leiden hinein, daß es zu Ihm drängt und Linderung fühlt ... Es gibt Frieden und löst die dunklen Gewalten ...

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