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Als vor Jahren die Mickymaus auftauchte, und sie in den Filmen von Walt Disney ihr Wesen trieb - der kleine Kobold, der doch auch wieder so menschennahe war, zornig oder lustig, mit einer Gelenkigkeit begabt, für die es keine Gesetze der Schwere zu geben schien - da haben wir gelacht. Allmählich fiel uns aber auf, daß es unter den menschenähnlichen Gefühlen, die sich da ausdrückten, nie Freundlichkeit gab, nie Güte. Auch die Wichtel des Märchens sind Wesen, die sozusagen am Rande des Menschlichen stehen, aber sie haben neben ihrer Lust am Unfug auch wohltätige Einfälle, helfen manchmal der Not, gleichen Unrecht aus. Das tut die Mickymaus nie. Sie ist nur boshaft, und das Lachen, zu dem sie reizt, ist im Grunde nicht gut. Dann entstanden neue Wesen ähnlicher Art: solche, die Enten ähnelten, oder Affen, oder Käfern, immer aber auf die menschliche Grundfigur bezogen waren. Umgekehrt entstanden Menschenbilder mit Riesenköpfen und winzigen Füßchen; solche, an denen nur der Bauch da war und der Kopf klein wie der einer Stecknadel; Wesen, deren Kopf nur aus Nase und Mund bestand undsofort. Nun ist die Bildwelt unserer Umgebung von diesem Ungeziefer voll, und wir dulden es nicht nur vor unserem abgestumpften Erwachsenen-Blick, sondern auch vor den verletzlichen Augen unserer Kinder. Sie gewöhnen sich daran, das Menschenwesen in Gestalten übersetzt zu sehen, die es ins Koboldische verkehren. Wie erklären Sie sich den Vorgang? Zeigt er nicht an, daß der Mensch nicht mehr weiß, woran er mit sich selbst ist? Sich nicht nur rätselhaft ist, sondern an sich irre wird? ja daß er sich vor sich selbst fürchtet? Diese Figuren kommen aus einer Tiefe, in welcher der Mensch sich preisgegeben hat. Sie, lieber Freund, sind Pädagoge: glauben Sie nicht, daß die Erzieher Anlaß hätten, sich mit dem Phänomen sehr ernstlich zu beschäftigen? Herzlichst Ihr R. G. | ||
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