Romano Guardini Online Konkordanz
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autoritär bestimmt. Mir machts eine Freude, diese Unterschiede festzustellen, als ob ich lauter mühsames Stützwerk wegfegte, und die Sache auf guten gewachsenen Felsboden stellte.
Was meinst Du, wenn man sagte: »Die Formel für die Desorientierung unseres religiösen Lebens heißt, daß der Vater aus ihm verschwunden ist«?
Ein Gedanke, der mich sehr gefreut hat: Wenn man einen Menschen wissenschaftlich beschreibt, weiß man von seinem Eigensten, in dem er ganz er und einzig ist, - noch nichts. Dazu muß man mit ihm leben, ihn ganz in sich erfassen. Alle Philos. und Theologie sagt von Gott nur das Begrifflich-Allgemeine. Hat nicht auch er so etwas Eigenstes, Originelles? Eine Individualität? Da kam mirs: Ja, und zwar ist die konkret geoffenbart in Jesus. »Wer mich sieht, sieht den Vater.«*674 In dem, wie Jesus von sn. Vater spricht, und wie er zu dem steht, offenbart sich das Letzt-eigene Gottes. Und dieses Ganz Originelle Gottes, das nie ableitbar, nie begrifflich erschließbar, nur lebendig aus Jesus zu erschauen ist, das ist »das Christliche« an Gott, »der christliche Gott«: »der Vater«.
Und ebenso hat einen solchen tiefsten, nur erfaßbaren, nicht deduzierbaren Zug die Kirche (die Persönl. des heil. Geistes). Und das signum indelebile*675 der Taufe ist dieser Stempel des Christlichen, persönlich, kindesmäßig dem Vater ähnlichsein.

Habt alle herzliche Grüße!
Dein Romano.
27/XI/19.



674 Joh 14,9.
675 »Das unauslöschliche Siegel«: dogmatischer Begriff für nicht rücknehmbare Gnadengaben; hier die Taufe.


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