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70. Brief vom 17.01.1917, Mainz. L. Josef Das Phaenomen, das uns interessiert, ist das Verschmolzensein von Werturteil und Seinsurteil in einer einzigen Urteilsform. Dabei scheint mir noch etwas anderes beachtenswert. Urteile sind scharf bestimmte Denkverhältnisse. Wie können ihrer zwei, die verschiedenen Charakter tragen, »verschmolzen« sein? Es muß also wohl ein »Bindemittel« vorhanden sein. Ein drittes, in dem beide Urteilsformen zusammengefügt werden. Und das ist eine intuitiv-schöpferische Funktion, d.h. die Fähigkeit, das Wirklich-Gegebene und das Geltend-Aufgegebene, Geforderte zusammenzuschauen in einer konkreten Gestalt. Hier ist die Wurzel der Parabel, der Spruchdichtung, u.s.w. (Hierher scheinen mir auch Literaturgattungen wie Saitschicks »Wirklichkeit und Vollendung«*583, die Imitatio, u.s.w. [zu gehören.]) Seinsurt.: »das ist so« Konkrete Lebensbildung ein konkretes Gebilde, in dem Sein und Wert zugleich zum Ausdruck kommen. z.B. Parabel Werturt.: »das soll sein« - Dann noch etwas. Diese Vereinigung beider Urteilsformen hat eine zweifache Seite. Einmal stellt sie den Gegensatz zum »Kultururteil« dar, das den Inhalt des Gegenstandes gesondert herausstellt, entfaltet, differenziert. Insofern möge es »Elementarurteil« i. e. S. heißen. Der Name betont das Einfache, Schlichte, Natürliche, das Enthaltensein der Fülle in einem einfachen Bild, Gedanken, das Undifferenzierte »Primitive« ... Andererseits bedeutet es den Gegensatz zur Auseinanderlegung der Urteilsformen in Wert- und Seinsurteil, und heißt insofern Einheitsurteil. - 583 Robert Saitschik, Wirklichkeit und Vollendung. Gedanken zur Menschenkenntnis und Lebenswahrheit, Berlin 21911 (BM). Vgl. Br. 20, 43, 46, 66. | ||
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