![]() | Treffernummer: |
| < | Seite 63 | > |
Bekommt von hier aus nicht alles sittliche Tun einen neuen Charakter? Das Unbedingte daran bleibt, denn es ist ja die Sinnmacht des Guten - im Grunde nichts anderes als Gottes eigene Heiligkeit - aber es gewinnt eine ganz andere Nähe. Die Strenge der Forderung wandelt sich in die Innigkeit des Zutrauens. Das bindet so stark wie die Strenge. Ja noch viel stärker, weil es tiefer ins Innere greift, aber in anderer Weise. Aus der Strenge des "Du sollst", wird die Nähe der Gotteserwartung, die nicht enttäuscht werden darf. Aus der Souveränität des Gotteswillens wird das Einvernehmen. Wirkliches Einvernehmen zwischen Gott und dem Menschen in einer, wenn das Wort erlaubt ist, gemeinsamen Sorge - der Sorge um das Werk Gottes, welches gerade durch die Kraft gefährdet wird, die es allein erfüllen kann, nämlich die Freiheit. Verstehen wir von hier aus die Bitte des Vaterunsers: "Dein Wille geschehe"? Wie kann der Mensch sich getrieben fühlen, Gott zu bitten, es möge geschehen, was Er doch selbst will? Doch nur so, daß der Mensch mit Ihm ins Einvernehmen der gleichen Sorge tritt: das Geschöpf mit Ihm, dem Schöpfer, um Sein Werk, welches der Freiheit des Menschen in die Hand gegeben ist. Wenn wir das bedenken, und nicht nur mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen, dann könnte von dorther eine Änderung in uns vorgehen. Es könnte sein, daß aus dem, was zuerst nur auferlegte Pflicht war, ein inneres Anliegen wird. Daß die Bitte, Gottes Wille möge durch uns geschehen, nicht mehr bloß die Bitte bedeutet, vor dem Bösen bewahrt zu werden, sondern zum Ausdruck der Sorge um das große - wir sagen es in tiefer Ehrfurcht - gemeinsame Anliegen Gottes und des Menschen wird. | ||
| < | Seite 63 | > |