Romano Guardini Online Konkordanz
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Nun ich den Aufsatz noch einmal gelesen, kann ich Dir sagen, daß er mir sehr gut gefällt. Es sind prächtige Sachen darin. Ich halte ganz meine Meinung aufrecht, daß Du in der Prosa Dein Bestes zu geben hast. (Übrigens las ich in den Ferien wieder in Deinen Gedichten*418 und hatte einen starken Eindruck von ihnen.) Ganz frei bist Du noch nicht. Manchmal fühle ich den unmittelbaren Einfluß eines Dritten (offenbar Federers selbst, in dem Stück über Jungfer Therese*419). Manchmal ist mirs, als übernehmest Du noch Sätze und Worte, statt sie selber zu prägen. Andermal brauchst Du Ausdrücke, von denen ich wohl weiß, daß sie voll ursprünglichen Gehaltes bei Dir sind; aber einem Unbekannten müssen sie konventionell vorkommen. Dazwischen kommen dann aber wieder Stücke, die voll zwingender, notwendiger Kraft und Wahrheit sind. Hätte ich Zeit, so würde ich einmal den ganzen Aufsatz derart analysieren. Später vielleicht einmal. Du müßtest öfters schreiben, aber möglichst in Augenblicken reiner innerer Gestimmtheit, wo alles von selbst aufsteigt. Du hast Sätze, in denen Wort und Wort wie Knospe, Blatt und Zweig ineinandergewachsen sind; wie Kristalle, klar, von gewachsener Notwendigkeit, daß man sie nur hinnehmen kann.
Übrigens habe ich auch den Aufsatz über Caspars Vesperbild wieder gelesen.*420 Den halte ich für wirklich bedeutend. Er ist ein Gedicht; weiß nicht, ob es Dir zu Bewußtsein kam, allein er schafft in seinem Stil (nicht bloß in seinen ausgesprochenen Gedanken) das Bild Caspars literarisch neu. Mehr kann ein Maler wahrlich nicht verlangen. Ich will einmal den Versuch machen und ihn einsenden. -
Wie gehts lieber Freund? Wie Deinem Mütterchen? Hab ihr heute 5 Fläschchen Champagner geschickt, jede grad' ein Glas. - Ich denke alle Tage an euch. Schreib einmal.
Hast Du meinen Brief bekommen?
Hier leg ich Dir ein liebes altes Lied bei.*421
Dein Romano.
3.II.15.



418 Weigers umfangreiche Gedichtsammlung liegt zum größten Teil unediert im Archiv Mooshausen.
419 Federers Novelle Jungfer Therese, 1913.
420 Vgl. Br. 36.
421 Nicht erhalten.

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