Romano Guardini Online Konkordanz
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wie das wieder, in neuer und doch verwandter Weise, ein halbes Jahrhundert später durch Franziskus von Assisi geschah. Bernhard war alles andere als ein zärtlicher und lyrischer Mensch; eher kann man ihm den Vorwurf machen, er habe das geistige Schwert zu scharf geführt - wir brauchen bloß an seinen Kampf gegen Abälard zu denken. Dennoch war dieser Geist der Schönheit in ihm, und auch von hier aus erklärt sich seine Bedeutung in der Göttlichen Komödie.
Wir können hier nur darauf hinweisen, daß in der Göttlichen Komödie die reifste Frucht der provençalischen Minnekultur vor uns steht. Für sie ist - in anderer Weise als im Griechentum, und doch mit ihm verwandt - die Schönheit das Äußerste. Allerdings eine Schönheit, die nicht von nur ästhetischer Art, sondern, wie die bereits angeführte Definition besagt, "Glanz der Wahrheit" ist. Sind die Wahrheit und das Gute gegeben, dann bildet die Aussage: "das ist schön", das Letzte, das gesagt werden kann. Diese Bedeutung der Schönheit geht durch die ganze Göttliche Komödie. Sie sammelt sich in der Gestalt Beatrices, in ihren Augen und in ihrem Lächeln, und der "atto di Beatrice" ist "virtú di bellezza", Schönheitsmacht: sie leuchtet in den Landschaften des Purgatorio und in den Lichtbereichen des Paradiso. Die Himmelsrose, aus goldenem Licht geformt, ist Symbol der Schönheit; und es sagt viel, daß, nachdem alles vollbracht ist, was Erkenntnis, Reinigung, Buße, Verwirklichung des Guten, Kampf um die Ordnung leisten können, die Schöpfung in der Form der Schönheit zu Gott zurückkehrt.
Was aber Maria angeht, so erscheint sie in der Göttlichen Komödie als die letzte Verdichtung der himmlischen Schönheit, und Bernhard ist der Ritterliche, der zu ihr sprechen darf.



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