Romano Guardini Online Konkordanz
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Sozialstruktur, die mit der gewaltigen Zunahme der Bevölkerung gegeben ist usw.
Diese Phänomene sind aber mit dem Verkehrten der Autonomieforderung verwoben; so entsteht ein an jeder Stelle zweideutiges Bild. Man könnte als Hilfsgedanken den Begriff der richtigen und der falschen Neuzeit anwenden, den ich ja auch kurz andeutete. Es wäre durchaus eine richtige Neuzeit möglich gewesen; das heißt, eine Realisation der neuzeitlichen Wissenschaft und Technik im Gehorsam gegen Gott. Daß es gekommen ist, wie es kam, war nicht Folge der Wissenschaft und Technik als solcher, sondern der Gesinnung, in der sie geschaffen und gebraucht wurden. So besteht die Aufgabe darin, nicht eine Generalverurteilung zu vollziehen, sondern zu unterscheiden und das Richtige in der richtigen Haltung zu entwickeln.
Noch ein Drittes kommt hinzu. In der Neuzeit ist noch sehr vieles aus voraufgehenden, organisch empfindenden Epochen lebendig. Sie ist ja doch nicht „reine Neuzeit“, sondern in ihr geht die Vergangenheit weiter. In ihr finden sich eine Fülle von Persönlichkeiten und Werken, welche Altes und Neues verbinden. So ist es verständlich, wenn ein Mensch, der, wie ich, mit seinem Wesen noch vor der scharf hervortretenden technischen Periode wurzelt, dorthin Sympathien empfindet.
Diese Tatsache bildet, glaube ich, keinen Einwand. Vielleicht ist ein solcher „zwischen den Zeiten“ lebender Mensch sogar besonders geeignet, auf das hinzuweisen, was hier geschieht.
Deine Stellungnahme, lieber Freund, ist so reich an Gesichtspunkten und geht so tief in die Probleme, daß ich, um sie voll zu beantworten, noch viel mehr sagen müßte.
Abgesehen vom Drängen anderer Aufgaben ist es aber vielleicht auch im Interesse für die Frage selbst ganz gut, wenn ich es bei dem Gesagten bewenden – richtiger ausgedrückt, für diesmal bewenden lasse.
Unsere Erörterungen sind ja nie bloß Klärung bestimmter Fragen, sondern immer auch ein „modus convivendi“ gewesen.




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