Romano Guardini Online Konkordanz
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Im Zusammenhang damit steht die andere, sehr wichtige Frage, ob die Leere, welche das alttestamentliche Verbot geschaffen hat, nicht von Bedeutung für das religiöse Leben sei. Wir haben bereits gesehen, daß die neue Architektur wieder auf die freie Fläche und den offenen Raum aufmerksam wird. Wer an die Vielheit der Bilder gewöhnt ist, wird leicht von Dürftigkeit und Kälte sprechen. Es kann aber auch sein, daß hier die Not der Zeit, die sparen muß, mit einem neuen Gefühl dafür zusammengeht, was die Leere für die Erfahrung göttlicher Gegenwart bedeutet.
Damit hängt etwas zusammen, das jedem religiösen Erzieher zu schaffen macht: daß es schwer ist, zum unsichtbaren Gott zu sprechen. Dazu gehört eine innere Stille und Aufmerksamkeit, in welcher seine Gegenwart zu Bewußtsein kommen kann. Auch eine Festigkeit, die sich von Vorstellungen unabhängig macht; eine ruhige Beharrlichkeit, die hindurchdringt. Die Psalmen sprechen von Gottes „Angesicht“: der Gläubige solle es suchen; der Herr möge es zeigen ... Dieses innere Suchen, Hingelangen, Hineinsprechen; das Bewußtsein, von Ihm gesehen, gemeint, geliebt zu sein – alles das scheint im leeren Raum leichter zu gelingen, als dann, wenn ein Bild den Blick fängt. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die alttestamentliche Warnung ebenfalls wichtig werden.
So würde der Kreis sich schließen und das in der Frühzeit der heiligen Geschichte Gebotene auch für unsere Zeit wichtig werden.




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