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Dann kommt allmählich die Zeit, wo er das Alte entdeckt, als etwas ihm Neues, Sinn und Wert des Hergebrachten, der Einrichtungen, die Erfahrungen der Anderen, und, was vielleicht am Letzten eingesehen wird, d. Würde und die große, ja ausschlaggebende Bedeutung des Normalen, Regelmäßigen, Alltäglichen. Das nähert ihn wieder schrittweise dem Alten, den Anderen, dem Gegebenen. Im ersten liegt die Frische, Produktivität, im zweiten Reife, Gediegenheit und Objektivität. Ich sage Dir ja damit nichts Neues, denn ich habe diese Gedanken von Dir erhalten, wenigstens in ihrer lebendigen Darstellung. Aber ich habe deshalb davon gesprochen, weil mir scheint, als ob in mir nun stark die zweite Reihe durchbreche. Die erste hat schon lang eingesetzt. Es kommt mir vor, als sei ich mir ziemlich bewußt, was ich in Gedanken und im Werke Eigenes haben kann. Nun fühle ich, wie mir überall das Traditionelle, Alte, das Normale, die via ordinaria wichtig wird. Hab auch dafür Dank! 9.III.13 Überhaupt bemerke ich in allem eine Konzentration und Verfestigung meines Denkens, Urteilens und Lebens, besonders nach den Tagen in Wangen. Zu dem was ich neulich über Förster schrieb, noch einen seither gefundenen Gedanken. Ich sehe und fühle allmählich deutlich die Gefahr, die in den Büchern von F. (auch Saitschicks*170 u.a.) steckt. Sie sind so vollkommen in ihrer psychologischen Beobachtung, so echt in ihren Ratschlägen, Urteilen..., auch so ruhig und abgeklärt, daß sie einen ganz in ihren Bann ziehen, einem allmählich Gott, vor allem aber sicher das eigentlich Übernatürliche entbehrlich erscheinen lassen. Man denkt nicht mehr daran. Ganz unmerklich verliert die Offenbarung und ihr Inhalt, die Gnade ... ihre absolute, reale, über allem stehende Bedeutung, die Offenbarungsgedanken ihren genauen, klaren, realen Sinn, all das gewinnt bloß symbolische ethische Bedeutung. Natürlich gilt das zunächst, oder vielleicht auch nur, für einen Menschen, der nicht gewissermaßen eingewachsen ist ins Christentum und die Kirche. 170 Saitschick, Robert (1868, Mstislawe, bis 1965, Hargen oder Oberrieden/Zürich?), Philosoph, Kultur- und Literaturwissenschaftler. Werke in der Bibliothek Mooshausen: Wirklichkeit und Vollendung. Gedanken zur Menschenkenntnis und Lebenswahrheit, Berlin 21911; Franziskus von Assisi, 21917; Paulus, 1926. Weitere Werke: Französische Skeptiker. Voltaire - Mérimée, 1906; Der Mensch und sein Ziel, 1914; Von der inneren Not unseres Zeitalters, 1917; Der Staat und was mehr ist als er, 1919; Die geistige Krise der europäischen Menschheit, 1924; Schicksal und Erlösung, 1926; Die innere Welt Jesu, 1928; Gedanken beim Lesen der Evangelien, 1957. | ||
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