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Autorität hätte gefordert werden können; das aber gerade deshalb, weil ich nicht von ihr ausgegangen bin. Von hier aus bekommt auch das ganze Problem Priester und Laie einen verschiedenen Charakter, und ich habe oft gedacht, eine ganze Anzahl von Schwierigkeiten würden verschwinden, wenn es mehr in der brüderlichen Haltung stehende Priester gäbe ... Im übrigen ist wohl klar, daß ich damit keinerlei Wertung aussprechen will. Ja ich bin sogar bereit, zuzugeben, daß in der Ökonomie des christlich-kirchlichen Lebensganzen der erste Typus führen wird. Im Frühjahr 1912 wurde ich nach Mainz versetzt, damit ich mich auf einem als leicht angesehenen Posten auf meine Promotion vorbereiten könne. Wie es in Mainz mit dem Gottesdienst, mit der individuellen Seelsorge und mit dem geistig-religiösen Leben bestellt war; wie ein Pfarrer zum anderen und der Pfarrer zum Kaplan stand, darüber will ich hier lieber nicht sprechen ... In der ersten Zeit meines Dortseins begegnete ich eines Tages auf dem Domplatz einem älteren Kaplan, der schon lange in Mainz war und es durch und durch kannte. Er begrüßte mich als Neuangekommenen; dann – ich sehe die Szene noch vor mir – wandte er sich zum Dom und sagte im kräftigsten Mainzer Dialekt: »Herr Kaplan, sehen Sie einmal da hinauf: wissen Sie, was auf dem Schwanz vom Domhahn steht?« Als ich antwortete, ich könne die Geisterschrift nicht sehen, fuhr er fort: »Die Ihr hier eintretet, laßt alle Hoffnung fahren!« Es war ohne Heftigkeit, im Ton einer einfachen Feststellung gesagt, und ich muß meinerseits sagen, daß er recht hatte. Mein Posten war an St. Christoph, das man ohne Lieblosigkeit das Zentrum der Mainzer Betschwesterei nennen konnte. Seelsorge hatte ich keine; die war – wie in Mainz überhaupt – Sache des Pfarrers. Ich hatte eine größere Anzahl von Schulstunden, Andachten und hin und wieder die »geringeren« Begräbnisse. Morgens hatte ich um 6 Uhr die heilige Messe, Tag für Tag vor ausgesetztem Allerheiligsten. | ||
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