Romano Guardini Online Konkordanz
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dulden nur ein bestimmtes Maß von Geschwindigkeit, erreichbar vom menschlichen Körper, vom Tier. Wenn aber, wie soeben, da ich dies schreibe, den fein geschwungenen Weg links von der Villa Melzi ein Motorrad heraufspektakelt, so ist im selben Augenblick das ganze wundervolle Ineinanderwirken von Menschenwerk und Natur zerstört. Diese Geschwindigkeit, dieser Lärm, dieser Gestank vernichten es. Und atmet man auch auf, wenn die Barbarei vorbei ist, so weiß man doch genau: Sie wird das letzte Wort haben, und eines Tages werden diese Wege, diese Anlagen, werden Städte und Straßen und das ganze Bild der Landschaft so geformt sein, wie das Motorrad es will. In den Kanälen von Venedig geht es ja ebenso. Die Gondeln waren lautlos geglitten, hatten ein bestimmtes Maß von Bewegung, Bau und Fundamente der alten Stadt waren ihnen gemäß. Nun fahren die Motorboote, knattern und geben üblen Geruch. Ihre Form ist elegant, aber von einem ganz anderen Grundgefühl her, als jenes, das die Paläste gebaut hat. Und ihre Geschwindigkeit sprengt das innere Maß der alten Stadt. Es ist tief symbolisch, daß der harte kurze Schlag ihrer Wellen von den Fundamenten der Häuser nicht vertragen wird. Die moderne Technik wird die Stadt vielleicht doch konservieren; in Wahrheit hat das Motorboot sie zerstört, und was dasteht, ist ein Museumsding.
So geht's mit allem. Das Zeitmaß unseres Lebens, die Weise unserer Arbeit, die Form unserer Gesellschaft, die Struktur unseres staatlichen und politischen Geschehens, der Apparat unseres wissenschaftlichen Betriebes, alles stößt wider die alten Formen, ist fremd darin, und wenn es sich einnistet, so werden sie gesprengt. Und jene alten Formen, Werke und Ordnungen werden fremd in unserer Zeit. Sprache, gesellschaftliche Struktur, Bauten, Geräte, Sitten - sie stehen unter uns wie ein köstliches Erbstück aus vergangenen Tagen, und all unsere Sorge darum hat etwas von jener Art, wie man alte

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