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158.
Brief vom 01.11.1933, Berlin-Eichkamp.
Berlin Eichkamp
Allerheiligen 33
Lieber Joseph
nun bin ich wieder seit einigen Tagen hier in Berlin. Wie schnell ist die mooshausener Zeit vorbeigegangen!*1004 Laß Dir herzlich danken für alle Güte. Es war lieb und schön wie immer, und ich wollte, ich könnte dort sein, und es Dir selbst sagen.
Als ich herkam, war hier bereits viel getan.*1005 Fräulein Thomas hatte wacker gearbeitet. Ich hatte nur noch die genauere Ordnung der Bücher und Papiere zu besorgen. Da das aber auch jedesmal eine Sichtung auf Notwendigkeit und Brauchbarkeit hin bedeutet, so macht das allerlei Arbeit, die für einige Zeit vorhalten wird. Viel Überflüssiges an Papier wandert dabei in die Heizung.
Es ist Allerheiligen=Nachmittag. Ich bin ganz glücklich über die Stille. Zum ersten Mal seit vielen Jahren - eigentlich, wenn ich mich recht besinne, seit der ersten Pützchener Zeit*1006; der ersten, sage ich, nachher kam es ja gründlich anders - habe ich das Gefühl das Zuhauseseins.
Hoffentlich kommst Du bald, und siehst Dir mein Maikäferhäuschen an. Dann weihen wir es ein. Ich habe mir einige gute Flaschen Wein bestellt, die wollen wir uns zu Gemüte führen, ja?
Übermorgen fängt das Kolleg an. Diesen Winter wird es besonders verantwortungsvoll, schon durch die Themen.*1007 Hoffentlich geht es gut.
Diesertage bekam ich beim Kramen Deine Übersetzung des ersten Johannesbriefes in die Hand. Joseph, Du mußt Dich jetzt ­dran­machen.*1008 Ich habe sie mit lebhaftester Befriedigung gelesen. Gerade
1004 Der alljährliche Herbstbesuch.
1005 Der Umzug nach Eichkamp, Zikadenweg 53, hatte am 1. Oktober 1933 stattgefunden.
1006 Pützchener Zeit: vom April 1920 bis zum Mai 1922. Das Ende dieser Zeit war durch den Ärger mit der Oberin des Klosters gekennzeichnet; vgl. Br. 82 und 85.
1007 Vorlesungsankündigung: Der Mensch (Grundzüge einer christlichen Anthropologie), Freitag 19-20 Uhr; Augustins »Gottesstaat« und die Grundprobleme des christlichen Geschichtsbewußtseins, Dienstag 19-20 Uhr; Religionsphilosophisches Seminar über einen noch zu bestimmenden Gegenstand, Mittwoch 18-20 Uhr (M 407).
1008 Weiger hat keine Übersetzungen aus dem NT veröffentlicht. Allerdings erschien 22 Jahre später: Ravensburger Bilderbibel. Das Neue Testament, übersetzt und geschrieben von Josef Weiger. Illustriert von Alice und Martin Provensen, Ravensburg 1957.

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