Romano Guardini Online Konkordanz
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Vielleicht hatten Sie, meine Damen und Herren, das Gefühl, meine Darlegungen seien »akademisch«; beschäftigten sich in einer Zeit, in welcher doch die aktuellsten Dinge drängen, mit unnützen theoretischen Unterscheidungen. Das wäre aber ein Mißverständnis. Vielmehr war von Dingen die Rede, die gesehen und gewollt sein müssen, wenn die Aktualitäten, wie immer sie heißen mögen, nicht an der Mitte der Sache vorbeigehen sollen.
In welchen Formen auch das Problem der Freiheit erscheinen mag: als Freiheit der Überzeugung und ihrer sozialen Verwirklichung, als Freiheit des Berufes und der Arbeit, der Familie, des Hauses und der Privatsphäre, der persönlichen Existenz des Menschen in der Demokratie und der öffentlichen Meinung - alles das hat einen ernsthaften Sinn nur von seinen Grundlagen her. Der Wille zur Freiheit, die Kraft, sie zu erringen und zu behaupten, haben natürlich vielerlei Wurzeln: natürlichen Unabhängigkeitssinn, Mut, soziale Vorzugsstellung, geschichtliche Tradition und was immer. Diese Momente sind aber nicht entscheidend, jedenfalls nicht auf die Dauer. Aus ihnen geht lediglich etwas Psychologisches hervor, das immer relativ bleibt. Die eigentliche Freiheitshaltung ruht auf etwas Unbedingtem und ist ebensoviel Pflicht wie Recht. Davon haben unsere Überlegungen zu sprechen versucht.
Ich glaube, hätten jene Männer und Frauen, deren Gedächtnis wir begehen, hier zugehört, sie würden zugestimmt haben. Denn die Gesinnung, aus der ihr Handeln kam, war nicht die von Revolutionsmachern und Verfassungsstürzern, sondern der Ernst von Menschen, die in schweren Stunden Fühlung mit den Wurzeln des Daseins gewonnen hatten.



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