Romano Guardini Online Konkordanz
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Gott ist nicht nur die höchste Idee, sondern Wirklichkeit; nicht nur der Urgrund der Welt, sondern Person; nicht nur der Sinn des Daseins, sondern Handelnder. Gott ist im Begriff, eine Geschichte zu führen, und der Mensch, der an Ihn glaubt, tritt in das Einvernehmen mit seinem Willen. Da heraus vermag er die Macht zu binden.
Nur da heraus, nirgendher anders. Das ja oder Nein zum lebendigen Gott, das ja oder Nein gegenüber seinem Willen ist zugleich die Entscheidung schlechthin. Das zu behaupten, bedeutet keine Phantastik. Ich glaube nicht, daß man sagen kann, das menschliche Dasein als Ganzes sei in einem realen Fortschritt begriffen, denn immer wird ein Gewinn an einer Stelle mit einem Verlust an einer anderen bezahlt. Doch eines scheint wirklich zu geschehen: die Entscheidungen werden immer deutlicher. Die Konsequenzen der Stellungnahmen treten immer schärfer hervor. Und das Zentrum aller Entscheidungen liegt hier.
Der Sinn der kommenden Kultur besteht in der Bändigung der Macht durch den Menschen, der in Würde und Freiheit, in lebendiger Spontaneität und in der Freude des Lebens existieren will.
Wir brauchen eine Erziehung zum Gebrauch der Macht. Es ist eine beunruhigende Tatsache, daß eine solche seit der Zeit, da die Macht des Menschen begonnen hat, so unheimlich zu wachsen, immer weniger geübt wurde. Oder gibt es eine Pädagogik, welche dem Menschen zu Bewußtsein bringt, was er vermag, und in ihm die Verantwortung dafür weckt? Ihn die Überwindungen und Verzichte lehrt, welche nötig sind, um im Gebrauch der Macht frei zu werden? Die Ehrfurcht vor dem Lebendigen und die Einsicht in die Rangordnung der Dinge? Es gibt sie nicht. Sie muß geschaffen werden.
Von ihr aus wird der innere, konstitutive Krieg gebunden; und nur von ihr aus kann der äußere, aktuelle Krieg wieder jenes Mindestmaß von »Ordnung« bekommen, ohne daß er reine Zerstörung ist.



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