Romano Guardini Online Konkordanz
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60.
Brief vom 09.11.1915, Mainz.
Lieber Josef
Heute hab ich Dir ein Paketchen geschickt - mit einem Bild. Hoffentlich ists gut angekommen, wenn Du diesen Brief erhältst. (Es ist eine der griechischen Inseln.)
Ist es nicht schön? Nicht wahr, da begreift man, was »Griechenland« der deutschen Seele ist? Und wie töricht die sind, die die deutsche Kultur rein aus sich leben heißen?*492
Es hat lang auf meinem Schreibtisch gestanden, und ich gestehe es, leicht hab ich mich nicht von dem Bild trennen können. Aber nun schenke ich es Dir; es soll auch Dich froh machen, und der Raabespruch darunter.
Mir ist, als trage ich ein Stücklein dieser Klarheit im Geiste, nur ist so viel Wirrnis noch dazu drinnen. Wird noch manche trübe Stunde kosten, bis »das Licht und die Flamme« den Sieg haben! - Wir haben doch viel miteinander gemein, Du! Auch das, daß nicht wir denken, sondern »es« in uns, und das spürt man. Aber wir tauschen doch nicht, gelt? Einmal geht auch uns »Licht und Flamme« auf.
Grüß mir recht Dein Mütterchen. Aber ich glaube, sie möchte, daß Du das Bildchen behieltest, so wie auch ich es wünsche.
Dein Romano.
9. XI. 1915.


492 Vgl. den späteren Aufsatz: Thule oder Hellas? Klassische oder deutsche Bildung?, in: Der Wächter 3 (1920), 2-16; 55-79 (M 52). In der Bibliothek Mooshausen befindet sich ein Widmungsexemplar für Weiger: Platons Gastmahl. Verdeutscht von Rudolf Kassner, IV. Auflage, Jena: Eugen Diederichs 1913; mit hs. Widmung: Weihnachten 1915. R. G.

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