Romano Guardini Online Konkordanz
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dieser überrationale Charakter wird bis zum Irrationalen, Begriffsfeindlichen gespannt. Also eine Rückkehr ins Nicht-Bewußte? Nur scheinbar! In Wahrheit holt hier die Bewußtwerdung zu einem ganz entscheidenden Stoße aus. Denn gerade daß jene Seiten des Seins mit solcher Schärfe gesehen werden; daß man sich klargemacht hat, wie hier mit den Mitteln des Begriffs nichts ausgerichtet werden kann, ist nur eine Bewußtwerdung! Daß mit solcher Deutlichkeit gesehen wird, wie dem besonderen Wesen jener Gegenstände auch besondere Erkenntnishaltungen zugeordnet sein müssen; daß diese Haltungen und Techniken herausgeholt werden, und zwar mit dem Gefühl für ihre besondere Tragkraft, Reichweite und Stellung im Gesamten des Erkenntnislebens.. was da als ein Nachlassen der Bewußtwerdung scheinen könnte, ist in Wahrheit ein entscheidender Durchbruch neuer Bewußtheit.
Was bedeutet das alles? Ich erinnere mich, wie ich einmal die Treppe hinunterging. Und plötzlich, in dem Bruchteil eines Augenblicks, als der Fuß sich von der Stufe hob und für das Betreten der nächsten einstellte, wurde mir bewußt, daß ich das tat. Sofort merkte ich, wie die selbstverständliche Sicherheit im Spiel der Muskeln aussetzte. Ich fühlte das Gehen in Frage gestellt. Das war eine Kleinigkeit ohne Bedeutung, und dennoch sagt sie, worum es sich hier handelt. Das Leben braucht den Schutz der Unbewußtheit. So sagt es bereits das allgemeine psychologische Gesetz, wonach wir nicht einen seelischen Akt vollziehen und zugleich um ihn wissen können. Wir können immer nur auf ihn zurückschauen, sobald er geschehen ist. Versuchen wir aber, während des Verlaufs seiner bewußt zu werden, dann können wir es nur so, daß wir ihn beständig unterbrechen, zwischen Tun und Wissen um dies Tun hin und her zucken. Und es ist klar, wie sehr das Tun darunter leiden muß. Die ganze Haltung unseres Seelenlebens scheint mir von hier aus charakterisiert zu sein. Unser Tun wird fortwährend

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