Romano Guardini Online Konkordanz
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der Gestalt einer Ortschaft, in der alle Anstiege und Senkungen, alle Maße und Gliederungen sich zu einer einzigen, klaren Melodie fügten, neben dem hohen Campanile auf einmal ein Schornstein stand und alles zerriß. Es war furchtbar! Du wirst Dir ein wenig Mühe geben müssen, um das zu verstehen! Droben im Norden sind wir's gewohnt. Wir wissen nicht anders, als daß unsere Umwelt verwüstet ist. Wir haben sogar gelernt, im Unvermeidlichen das Wertvolle zu sehen. Uns beginnen die Augen aufzugehen für die Größe dieser neuen Welt, und wir finden bereits die Kraft der Schau und der Hand, sie zu gestalten. Hier aber war es anders! Hier lebte noch menschennahe Form. Hier war noch menschlich durchwohnte Natur. Und nun sah ich die Zerstörung einbrechen. Da habe ich empfunden, was mir droben in langer Gewöhnung gar nicht mehr bewußt war: Die Welt der natürlichen Menschlichkeit, der menschendurchwohnten Natur geht unter! Was das für eine Trauer ist, kann ich Dir nicht sagen. Als hätte man etwas gefunden, von dem man weiß, es ist köstliches Leben - und nun sieht man, wie es dem Untergang zuneigt. Hier habe ich Hölderlin verstanden!
Ich fühle es deutlich, es kommt eine Welt herauf, in welcher "der Mensch" - in diesem besonderen Sinne - nicht mehr leben kann. Eine irgendwie unmenschliche Welt. Und ich fürchte, der Südländer kann sie nicht meistern. Den grimmigen Ernst, die gewalttätige Kraft, das innere Gewachsensein dem Ungeheueren gegenüber, was alles hier gefordert ist - ich fürchte, das hat er nicht. Die Welt der Maschine kommt aus dem Norden; der Norden zwingt sie. Im Süden wird sie nackte Barbarei bringen.
Sinkende Zeit macht immer traurig; aber besonders tief liegt die Schwermut über einem Leben, das dem Untergang geweiht ist, und von dem man fühlt, es gehört zu uns. Da versinken eben Möglichkeiten zu leben ...

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