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So wenig trifft die von der Romantik herkommende Überschätzung des Inferno und Abwertung des Paradiso zu, daß erst in diesem und durch Beatrice die umwandelnde Klarheit kommt. Trotz aller Dichte seiner Gestalten bleibt das Inferno ins Zwielicht der Verlorenheit eingehüllt. Was der Mensch im letzten ist, wird ihm erst von dem her deutlich, was über ihm ist. Die in Inferno und Purgatorio eingesogene Erkenntnis wird Dante erst in Beatrices Licht offen und voll. So ist auch die Mündigkeit, in welche Vergil den Geführten nach der Durchschreitung des Feuerwalls entläßt, noch nicht jene, die in der Ewigkeit gilt. Sie bedeutet nur die Fähigkeit, der letzten Rechenschaft der vollen Einsicht standzuhalten. Aus dieser erst erwächst die eigentliche Reife, und Beatrice ist es, durch die sie sich verwirklicht (III 31, 85ff). Mit alledem scheint etwas Widersprechendes behauptet. Oben wurde gesagt, die Vergilgestalt sei in ihrem Verhältnis zur christlichen Offenbarung und zum Heil unmöglich - nun soll in eben dieser Struktur die Intensität ihrer Lebendigkeit und ihre Bedeutung für die Commedia liegen. Beides aber ist wahr. Dantes Vergil ist eine rätselhafte Gestalt, anziehend und beunruhigend zugleich. Sie ist unmöglich - aber, sagen wir, beinahe möglich. | ||
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