Romano Guardini Online Konkordanz
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eine Namenlosigkeit, die wieder bei Gott beginnen muß, um vollkommen und ohne Ausrede zu sein. Das [sich direkt auf Gott richtende] Gefühlserlebnis tritt zurück hinter einer unendlichen Lust zu allem Fühlbaren [überhaupt].“ Hieran schließt sich dann, durch je drei Punkte eingefaßt, der bereits angeführte Satz: „die Eigenschaften werden Gott, dem nicht mehr Sagbaren, abgenommen, fallen zurück an die Schöpfung, an Liebe und Tod“ (185).
Zunächst scheinen die Worte zu sagen, aus dem nur „dunklen“ sei der ganz „unbekannte“, „namenlose“, „nicht mehr sagbare“ Gott geworden; daher bedeute das Ganze im Wesentlichen nur eine Vertiefung des alten Zustands. Eine solche Deutung entspräche aber dem Bewußtsein des Neuen, Entscheidungsvollen, das diese Sätze – wie überhaupt die ganze Epoche der „Elegien“ und „Sonette“ – erfüllt, in keiner Weise. Hier ist mehr; und zwar scheint es durch die Worte: „statt des Besitzes erlernt man den Bezug“ ausgesprochen – besonders wenn man sie mit den späteren zusammennimmt, wonach „das Gefühlserlebnis“ „hinter einer unendlichen Lust zu allem Fühlbaren“ zurücktritt, und „die Eigenschaften“ der Göttlichkeit „an die Schöpfung“, besonders an die ontologisch entscheidenden Geschehnisse von „Liebe und Tod“ übergehen. „Bezug“ aber ist dem ganzen Zusammenhang nach nicht die Beziehung zwischen Selbst und Gegenüber, Ich und Du, sondern das Meinen eines nicht direkt Gegebenen; oder, um ein Wort des „Erlebnisses“ zu gebrauchen, ein Sich-Beziehen „wie über die Schulter zurück“.
Das Gesagte macht nicht den Anspruch, die ganze Vorstellung wiederzugeben, die Rilke vom Religiös-Letzten hat – sagen wir besser, die ganze Beziehung, die er dorthin empfindet. Einmal wirken die früheren Formen dieser Beziehung in die spätere hinein. Dann aber darf nicht vergessen werden, daß er ja kein Philosoph ist, sondern ein Dichter, dessen Gedanken polyphon sind, Ober- und Unter- und Nebentöne haben. Hier kam es darauf an, jenen Ton herauszuheben, der das Ganze zu bestimmen scheint.




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