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Aber das ist ein schlimmer Weihnachtsbrief, den ich da zusammengebraut habe. Wenn ich nicht wüßte, daß Du was vertragen kannst, schickte ich ihn gar nicht fort. Dr. Michel*703 scheint sehr glücklich zu sein, weil Du ihn so gut verstehst. Da bin ich froh, für Euch beide. Denn ich bin überzeugt, Michel wird noch was leisten. Vielleicht bringt er uns einmal eine Kulturphilosophie aus der Fülle des Besitzes heraus. Seine Goetheschrift hat tiefen Eindruck auf mich gemacht. Was sagst Du zu den »Schildgenossen«? Zeitschrift der Großquickborner (Verlag Rothenfels a/M., Unterfranken). Und zum Burgbuch? (»Wehender Geist«; der zweite deutsche Quickborntag, ebenda.) Mir ist diese Jugend so teuer. Ich könnte für sie auf den Lehrstuhl verzichten, wenn es sein müßte.*704 Nun behüt Gott, und denkt manchmal an mich. Ihr seid in jeder Messe explicite dabei, und wenns einmal nicht reicht, dann gewiß implicite. Romano. Vielleicht kommt nach Weihnachten Fräulein Helene Faust*705 auf ein paar Stunden zu Euch. Sei lieb zu ihr, gelt? Sie hat es auch nicht leicht, und ist doch nichts zu ändern. Nachschrift: 20/I/1921. Unterdessen kam Dein Brief. Ich schicke diesen aber doch ab. 703 Ernst Michel (8.4.1889, Klein-Welzheim/Main, bis 28.1.1964, Frankfurt), katholischer Publizist; verfaßte Weltanschauung und Naturdeutung. Vorlesungen über Goethes Naturanschauung, Jena 1919. Lektor u.a. in den Verlagen Diederichs, Jena, und Teubner, Leipzig; gab 1921-23 die Sonderhefte der Zs. Die Tat (Diederichs) heraus; schrieb zu Themen eines »politischen Katholizismus« (Zur Grundlegung einer katholischen Politik, Frankfurt (Carolus) 1923) und eines »christlichen Sozialismus« (einige Werke kamen auf den Index), von 1923-33 Mitarbeit bei der Rhein-Mainischen Volkszeitung; Reformpädagoge und Psychotherapeut. 1933-1938 freier Schriftsteller und Mitarbeiter beim Hochland und der Frankfurter Zeitung. Durch seine radikale Ablehnung der institutionell-rechtlichen Seite der Kirche sowie des Naturrechtsdenkens schuf er eine Politische Theologie, verlor aber den lebendig-konkreten Bezug zur Kirche im Sinne Guardinis. In dem erwähnten Sonderheft sprach Michel als Herausgeber einleitend das Wirken der Kirche nach außen an: Zum »Kulturproblem« der katholischen Kirche, in: Die Tat 13 /1920/21/, 1-8. In der Bibliothek Mooshausen befindet sich ein Widmungsexemplar: Sattar Kheiri, Indische Miniaturen der islamischen Zeit, Berlin o. J., mit Widmung: »Maria Knöpfler zum 40. Geburtstag in herzlicher Verehrung! Frankfurt a. M. Im September 1921 Dr. Ernst Michel.« 704 Die Schildgenossen. Zweimonatlich erscheinende Zeitschrift 1920-1940, die nach Guardinis Beteiligung, u.a. als (Mit-) Herausgeber, dem Niveau der Zs. Hochland nahe-rückte. Wehender Geist: Titel des Heftes zum Zweiten Deutschen Quickborntag im August 1920. Tatsächlich stand Guardini einmal vor der Frage, den Quickborn oder die Universitätslaufbahn aufzugeben; vgl. GF 152 f; BL 36. 705 Nicht ermittelt. | ||
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