Romano Guardini Online Konkordanz
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in sich aufnehmen, weils in unergründliche Tiefen hinuntergeht. Gefühl und Leidenschaft fürchtet immer, aus den Fugen zu gehen. -
Ob das Problem des »Temps«*561 nicht leicht zu lösen ist? »Als religiöse Macht kann der Papst gar nicht neutral sein« - sicher. Er muß nämlich Partei ergreifen für das Recht. Wer aber wagt, in »päpstlicher«, d.h. autoritärer Weise zu entscheiden: »ihr habt Recht und die Unrecht?« Mir scheint, es ist ein Anspruch, wie ihn ein Familienwochenblättchen stellen könnte, solches zu verlangen. Je höher die Warte, auf der einer steht, desto energischer wird er ein solches Urteil ablehnen, und so zur - nicht »politischen«, aber »moralischen Neutralität« kommen 1) *
1) Diese ist dann nicht eine Neutralität gegenüber Recht und Unrecht, aber eine tiefst-moralische Enthaltung des Urteils gegenüber einem allzu schwierigen Sachverhalt.
Wenn Du den Casparschen Entwurf schicken willst, so besorge ich Dir den Rahmen.*562 Am besten verwendest Du eine sehr starke Rolle, wenn das Blatt groß ist, oder zwei sehr starke Kartons, wenns klein. Und dann schicke es als Wertpaket, 500 Mk,- dann geben die Postmenschen auch ordentlich acht. Was dürfte der Rahmen kosten?
Bin noch nicht an eine Lektüre von Pfeilschifters Buch*563 gekommen. - Alles »Betriebmäßige« ist mir auch herzlich zuwider. Mir scheint, es ist nur eine Alternative: Entweder einer hat religiöse Schöpferkraft in sich, und dann soll er in Lauterkeit die wirken lassen. Oder nicht, und dann hat er nur die Aufgabe, die Menschen zu den echten Quellen und zur wahren Ordnung zu führen.
Die »Quellen« und »die Ordnung« - darin konzentriert sich für mich alle Arbeit für die Religion. Solange die Menschen nicht in der rechten Ordnung und an den Quellen stehen, ist alle Betriebsarbeit in den Wind geschafft. Was helfen 100 Kommunionen - salva efficientia ex opere operato*564 - wenn die rechte Einsicht in das Verhältnis von Gott -, Sakrament - und Leben fehlt? -

561 Westschweizer Zeitschrift, Genf.
562 In Mooshausen hängt in einem einfachen schwarzen Rahmen eine Kohleskizze von Karl Caspar, die einen vom Pferd gestürzten sterbenden Soldaten zeigt; datiert: 1917.
563 Georg Pfeilschifter (Hg.), Deutsche Kultur, Katholizismus und Weltkrieg. Eine Abwehr des Buches La Guerre Allemande et le Catholicisme, Freiburg: Herder 1916. Vgl. Br. 66.
564 »Bei aller Wirksamkeit des getanen Werkes«: die katholische Formel für die Objektivität des Sakraments auch ohne die subjektive Entsprechung von Priester oder Gläubigen.

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