Romano Guardini Online Konkordanz
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Die Flamme

An spätem Herbstabend gehst du über Land. Um dich her ist es dunkel und kalt. Die Seele fühlt sich einsam in der toten Weite. Ihr Verlangen sucht umher, wo es haften könne, aber nichts antwortet. Der kahle Baum, der kalte Bergzug, die leere Ebene -alles tot; sie allein lebendig in der Öde rings. Da strahlt bei einer Wendung des Weges auf einmal ein Licht auf: Hat es nicht herübergerufen? Wie eine Antwort auf das Suchen der Seele? Wie etwas Erwartetes, Zugehöriges?
Oder du sitzest spät im trüben Zimmer. Die Wände stehen grau und teilnahmslos, der Hausrat stumm. Da kommt ein wohlbekannter Schritt; eine geschickte Hand richtet den Ofen, es knistert drinnen, die Flamme züngelt auf, und aus dem offenen Türchen fällt roter Schein ins Zimmer, wohlige Wärme fließt her - alles ist verwandelt. Wie wenn in einem erloschenen Gesicht plötzlich freundliches Leben aufleuchtet.
Ja, das Feuer ist dem Lebendigen verwandt. Ist unserer lebendigen Seele reines Sinnbild: Bild von all dem, was wir innerlich erfahren:, warm und leuchtend, immer bewegt, immer aufwärtsstrebend.

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