Romano Guardini Online Konkordanz
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Der Kelch

Einmal, es sind schon lange Jahre her, bin ich dem Kelch begegnet. Gewiß, gesehen hatte ich ihrer ja schon viele, aber „begegnet“ bin ich ihm damals in Beuron, als der freundliche Pater, der die Sakristei verwaltete, mir ihre Schätze zeigte.
Er hatte einen breiten Fuß, der sicher auf dem Grund stand. Sehr schlank erhob sich der Schaft. Etwas über der Mitte trat, scharf geformt, der Knauf heraus. Auf der Höhe des Schaftes, dort, wo ein schmaler Ring seine edle Stärke noch wie in letzte Zucht sammelte, sproß nach allen Seiten feines Blätterwerk, und in ihm ruhte die Schale.
Wie lebendig habe ich damals die Form gefühlt! Aus tiefem Grunde aufsteigend der schlanke Schaft; von ihm getragen die Gestalt, die nichts ist als Aufnehmen und Darbieten.
Ehrwürdiges Gerät, in schimmerndem Grunde die geheimnisvollen Tropfen bergend, in denen das Mysterium der göttlichen Liebe erscheint.
Dann ging der Gedanke weiter - aber es war kein Denken, sondern ein Schauen oder Fühlen: Steht da nicht, in kleiner Form zusammengefaßt, das All,

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