Romano Guardini Online Konkordanz
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39.
Brief vom 16.01.1914, Freiburg.
Freiburg 16. Jan. 14
Armer, lieber Josef, das müssen jetzt schlimme Zeiten für Dich sein!*321 Die letzten Nachrichten haben mir zu schaffen gemacht und ich vergesse sie nicht. Ich habe vorgestern an D. M. geschrieben. All das Häßliche, das dabei war, die Bosheit und Herzlosigkeit, wahrhaftig, das kann man gar nicht verstehen. Aber, nicht wahr, Du läßt ihm doch keine Gewalt über Dein Herz? Das wäre ja der größte Triumph jener Menschen, wenn ihr Reden und Tun Dir noch das Innere störte! Den gönnst Du ihnen nicht, nicht wahr? Um Deiner selbst und um deren willen, die Dich lieb haben, darfst Du es nicht.
Sieh, Liebster, bei Dir hab ich das so bewundern gelernt, wie ich Dich, trotzdem Du alles so tief und mitleidend empfindest, doch so gerecht und klar und gütig gefunden habe, im Reden, Urteilen und Benehmen. Mir wars immer, als ob Dir, wie leicht keinem sonst, den ich kenne, das große Werk gelingen müsse, mitten in solchem Leben und Leiden die serenitas animi*322 zu gewinnen, die Klarheit und Freiheit und Gestaltung des Lebens. Bist Du mir auch nicht böse, daß ich immer wieder von diesem anfange? Dann verzeih's; aber, weißt Du, ich bin eifersüchtig um meinen Freund; ich will nicht, daß er mir in irgendwas beschädigt werde. Er hat mir, durch sein Vertrauen, das Recht gegeben und muß es schon ertragen, wenn ich es brauche!
Daß er viel leiden müsse, daß ihn das Leben und dessen Fügungen härter drücken, als andere, das kann ich nicht finden. (Ja, ich fand nämlich beim St. Augustin die Stelle, daß das Leiden das Zeichen einer wohlgeschaffenen Seele sei, und fast, fast möchte ich Dich drum beneiden. O, wüßtest Du, wie es oft in der Seele aussieht, die diesen Gedanken hat, wie arm und öd!) Aber was ich von Dir femhalten will, was Du nicht haben darfst, das ist, daß die Bosheit der Menschen Dir das Innere störe, Bitterkeit, oder irgendwas von Negation hineintrage. Josef, nicht wahr, Du tust mir die Liebe, und läßt das nicht zu? Es ist Dir ja viel viel Unrecht getan worden, jene Menschen können es gar nicht verantworten,
321 Weiger sollte am 4.1.1914 eine Stelle als Vikar in Horb am Neckar antreten, wurde aber krank und fast ein ganzes Jahr vom Dienst beurlaubt, bis zum Vikariat ab 23 12. 1914 in Herrlingen. In der Zwischenzeit weilte er auf Schloß Zeil, seinem Geburtsort.
322 »Heiterkeit des Gemüts«.

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