Romano Guardini Online Konkordanz
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Fünftes Kapitel
Das Argument der Wette
Ein geschichtlicher Zusammenhang

I.
Geschichte ist in verschiedenen Zusammenhängen gebaut. Der eine geht quer durch den Augenblick und besteht darin, wie eine Schicht des Geschehens durch die andere getragen wird, entwickelt oder gehemmt, offenbart oder verhüllt; wie ihre Motive hinterbaut, vertieft oder durchkreuzt werden. Der andere geht in Vergangenheit und Zukunft und besteht darin, wie das soeben sich Vollziehende vom Vorausgehenden bedingt ist und wiederum das Kommende vorbereitet.
Die voraufgehenden Untersuchungen hatten mehrmals Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie Pascal in der Geschichte des neuzeitlichen Geisteslebens steht. Im übrigen mußten sie sich, ihrer Absicht gemäß, auf die systematische Analyse beschränken. Dieses Kapitel nun soll einem geschichtlichen Zusammenhang, und zwar einem solchen von besonderer Art, nachgehen. Er wird nicht durch faßbare Abhängigkeiten hergestellt, sondern dadurch, daß ein bestimmtes Motiv, ein bestimmtes Element des geistig-personalen Daseins in verschiedenen geschichtlichen Epochen auftaucht und so, Ähnlichkeit und Wandel verknüpfend, eine Bewegungslinie deutlich wird. In einer solchen Reihe voneinander unabhängiger, vermöge ihrer inneren Verwandtschaft aber zur Verbindung auffordernder geistiger Äußerungen glaube ich Pascal stehen zu sehen. Und zwar mit jenem seltsamen Gedankengang, der unter dem Titel des "Argument du pari", des Gottesbeweises aus den Chancen einer den Sinn des Daseins betreffenden Wette mehr Aufmerksamkeit als Verständnis

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