Romano Guardini Online Konkordanz
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Was Jesus unter der Vorsehung versteht
[1939]

In Jesu Botschaft ist eine Lehre besonders wichtig: die von der Vorsehung, mit welcher der Vater im Himmel die Menschen umfaßt. Der Herr spricht so eindringlich von ihr, daß man fühlt, wie sehr sie ihm am Herzen liegt. Das geschieht vor allem in der Bergpredigt, wo er die Hörer mahnt, sich nicht um Speise und Kleid zu sorgen, sondern auf den Vater im Himmel zu vertrauen; wenn der die Vögel nähre und die Blumen kleide, werde es ihm noch viel wichtiger sein, den Menschen, die nicht nur seine Geschöpfe, sondern seine Kinder sind, zu geben, wessen sie bedürfen. (Mt 6,25–33) Die gleiche Botschaft verkündet Jesus, wie die Jünger sagen, er solle sie beten lehren, und er ihnen das Gebet schlechthin, das Vaterunser übergibt (Lk 11,1–4). In dessen Bitten kommt die Lehre von der Vorsehung in lauterer Größe zum Ausdruck; und nicht nur in den Gedanken, sondern auch im Klang der Worte und in der Innigkeit und Herzenszuversicht, welche das göttliche, so kurze und zugleich so unerschöpfbar tiefe Gebet erfüllen. Zugleich zeigt dessen ganze Haltung, wie der glaubende Mensch in der Vorsehung stehen und aus ihr heraus leben soll.
In der Offenbarung tut Gott seine heilige Wirklichkeit kund; ebendamit antwortet sie zugleich auf die Fragen des Menschenherzens. Auch die Lehre von der Vorsehung tut das. Sie erwidert auf die Fragen, wie der Mensch im Dasein stehe, woher ihm sein Schicksal komme, in welcher Hand und Gewalt er sich befinde, wie er damit in Fühlung und Einvernehmen kommen könne. Immer wieder hat der Mensch über diese Fragen nachgedacht – um besser zu verstehen, was die Offenbarung auf sie sagt, wollen wir uns einige Antworten vor Augen bringen, die im Laufe der Zeit vom Menschen selbst gegeben worden sind.

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