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Zum Begriff der sittlichen Freiheit. *1 [1916] Der vorliegende Aufsatz ergänzt die beiden im »Pharus«, Heft 9 und 10 erschienenen Arbeiten »über den religiösen Gehorsam« und »über den Begriff des Befehlens und Gehorchens«. Er sucht, wie dort, das Problem in seiner ganzen verschlungenen Wirklichkeit zu fassen, statt nur den reinen Begriff zu erörtern, oder vereinzelte psychologische Erscheinungen zu beschreiben. I. Freiheit bedeutet im allgemeinen Sinn soviel wie Selbstgehörigkeit. Eine Handlung ist frei, wenn sie dem Subjekt gehört, von dem sie ausgeht; wenn ihr Träger nicht nur das Werkzeug einer überlegenen Gewalt, oder ein bloßes Glied in einer Reihe von Ursachen und Wirkungen ist, sondern die entscheidende Urheberschaft der Tat im Subjekt liegt. Dadurch besitzt dieses seine Handlung und sich selbst im Handeln. Dieser allgemeine Begriff der Freiheit differenziert sich, sobald man den psychologischen Tatbestand ins Auge faßt, d.h., sobald man fragt: Wann hat das Subjekt das Bewußtsein, frei zu sein? Und welches ist die Form dieser Freiheitshandlung? Das Ich sieht sich einmal dem Bestand der eigenen Natur (Kräfte, Anlage, Motive, Zustände, Triebe usw.) gegenüberstehen. Es fühlt sich, als Ich, von den Zuständen, Trieben, Bedürfnissen der eigenen Natur nicht berührt. Es sieht sich ihnen gegenüber in der Rolle einer fachlich unbeeinflußten, lediglich disponierenden Instanz. Es überschaut die gegebenen Tatmöglichkeiten, entscheidet zwischen ihnen nach den gesetzten *1 [Untertitel:] Von Dr. R. Guardini, Mainz. | ||
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