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Gedanken über das Verhältnis von Christentum und Kultur I. Wie stehen jene beiden Wesens- und Wirklichkeitsbereiche zueinander, die wir mit den Worten "Christentum" und "Kultur" bezeichnen? *1 Vor der eigentlichen Erörterung müssen einige Begriffe geklärt werden. Was bedeutet "Kultur"? Der Begriff hebt sich zunächst von dem der "Natur" ab. Der bedeutet die Gesamtheit dessen, was unmittelbar gegeben ist, als Geborenes im Menschen oder als Umgebendes um ihn her: also der Mensch als Gattung wie als Einzelner; Land, Fluß, Meer, Luft; Mineralien, Pflanzen und Tiere. Kultur hingegen meint den Inbegriff dessen, was der Mensch aus dem Naturhaft-Gegebenen macht; erkennend stellungnehmend, handelnd, schaffend; am umgebenden Sein der Dinge, am anderen Menschen, an ihm selbst. Bloße Natur wie bloße Kultur sind Grenzbegriffe *2. Reine Natur ist dem Menschen nur als Grenzwert gegeben. Schon der erste Blick, den er auf sie wirft, bedeutet, daß er wählt, vergleicht, Beziehungen knüpft, das heißt sie formt. "Natur" stellt immer eine Reduktion der an sich seienden Dingwelt auf Maß- und Zweckordnung des Menschen dar. Sie ist immer sofort Menschenwelt. Daß ein Mensch als erster auf noch unberührte Natur träfe, bedeutet ebenfalls einen Grenzfall. In Wahrheit *1 Der - durchaus vorläufige - Versuch, in diesen Fragen Fuß zu fassen, ruht auf einer Auseinandersetzung mit Sören Kierkegaard. ++++ *2 Darunter verstehe ich Bestimmungen besonderer Art. Sie meinen Momente, die nicht rein und für sich, sondern nur in gegensätzlicher Verbundenheit mit einem Gegenmoment sein und gedacht werden können. Im Grenzbegriff werden sie losgelöst. Dadurch treten sie deutlich hervor. So hat der Grenzbegriff Sicherungs-, Richtungscharakter. Wirklich vollziehen kann ihn aber das Denken nur in Annäherung. Siehe auch R. Guardini, Der Gegensatz, Mainz 1955, S. 104. | ||
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