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Zu George Bernanos’ Roman „Der Abtrünnige“ [1930] Vorbemerkung Uns ist ein Stück aus einem Brief zur Verfügung gestellt worden, der sich gegen Bernanos wendet. Wir glauben, es unseren Lesern mitteilen zu sollen. Wir lassen dahingestellt, ob das Behauptete richtig ist. Der Ausgangspunkt aber, aus dem her es gesagt wird, und die Sorge, die es innerlich bestimmt, bringt uns ein Problem nahe, das schon lange fällig ist und heute besonders drängt: Das der „Häresie nach rechts“. Das katholische Bewußtsein hat sich gewöhnt, den religiösen Irrtum nur nach „links“ gewendet zu suchen: In der Richtung auf Rationalismus: Verdünnung des Geheimnisses; auf Naturalismus: Verweltlichung des Himmlischen; in der Richtung auf Aufklärung: zeitliche Klugheit, diesseitige Kultur usw. Dabei konnte es immer wieder geschehen, daß Maß und Ordnung nach der anderen Seite hin zerbrachen; dieser Irrtum aber keine oder doch nur sehr nachsichtige Rüge erfuhr. Heute scheint diese Gefahr nur allzu dringlich. In unserer Zeit lebt ein absolutistischer Drang; eine Scheu vor dem Komplexen; eine Abneigung, die Verflochtenheit des Daseins zu sehen; eine Unfähigkeit, zu warten; ein Wunsch nach radikalen, vereinfachenden Formeln überall, wie in der Politik, im Sozialen, im Künstlerischen, so auch im Religiösen. Diese Tendenz stellt aber Mensch und Menschenwerk ebensosehr in Frage wie echtes christliches Dasein und gesunde Glaubenshaltung. Wir fühlen in unserer Zeit eine Ungeduld am Werk, eine Gewalttätigkeit, eine Primitivität des Denkens und Schnellfertigkeit des Urteilens, ein Verlangen nach angeblicher „Entschiedenheit“ – was alles eine ebenso große Gefahr bedeutet wie Rationalismus und Naturalismus. | ||
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