Romano Guardini Online Konkordanz
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18.
Brief vom 16.02.1913, Freiburg.
Freiburg 16.2.13.
Lieber Josef!
Heute habe ich im Münster eine Predigt gehalten, Du erinnerst Dich, daß ich davon sprach. Ich möchte sie Dir gern schenken*157, als Dank für die Tage, die ich bei Dir war. Ob sie etwas wert ist, darüber habe ich kein rechtes Urteil, denn ich habe wohl noch keine mit solcher inneren Anteilnahme geschrieben. Sie gehört auch den Gedanken nach zum großen Teil Dir.
Als lustige Ergänzung lege ich einige der köstlichen Kerlchen vom Chorgestühl des Thanner Münsters bei.*158 Als sie mir gestern abend in die Hände fielen, hab ich vor Vergnügen gelacht bei dem Gedanken, wie sie Dir gefallen werden. Ein Stücklein lachende Philosophie!
Gleichzeitig mit diesem Brief geht ein Päckchen Bücher an Deine Adresse.*159 Sieh alles durch und den Begleitbrief auch. Ich wills Deinem Mütterlein geben, wenn es Dir recht ist, aber Du sollst den Reuter*160 und Raabe* auch lesen. Es macht mich so froh, Dir und ihr eine Freude bereiten zu können. Sollte Dir aber das eine oder andere nicht gefallen, so laß es weg.
Raabes Eulenpfingsten*161 kommt erst später, muß gebunden werden.
Nächstens schicke ich Dir auch eine kleine Auswahl Bilder aus meiner Sammlung; die mag sie sich mit aller Muße betrachten, und es wird mich sehr freuen, wenn etwas daraus so gut gefällt, daß es dort bleiben darf. -

157 S. Nr. 19.
158 Die Karten sind nicht erhalten. Thann bei Freiburg hat ein gotisches Münster mit prachtvollem Chorgestühl.
159 Das Exemplar von: Matthias Joseph Scheeben, Die Herrlichkeiten der göttlichen Gnade, Freiburg 1913, in der Bibliothek Mooshausen trägt die Widmung: »17.II.1913. RG.« Dieses Datum ist zugleich der 28. Geburtstag Guardinis.
160 Reuter, Fritz (1810, Stavenhagen, bis 1874, Eisenach), Schriftsteller, Versepiker, Lustspielautor; plattdeutsches Werk Ut mine Stromtid (BM, ohne Widmung).
161 Raabe, Wilhelm (1831, Eschershausen, bis 1910, Braunschweig), wichtiger Autor des poetischen Realismus und Lieblingsautor des jungen Guardini. Werke: Der Hungerpastor, 1888; Der Regenbogen, 1869; Das Ödfeld, 1888 (alle in der Bibliothek Mooshausen); Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte, 1891, die Guardini mehrfach interpretierte: M 376, 713, 717. Die kleine humoristische Erzählung Eulenpfingsten (1908) ist - immer noch ungebunden - in der Bibliothek Mooshausen erhalten. Vgl. Br. 39.

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