Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 193> 


66.
Brief vom 27.08.1916, Mainz.
27/8/16.
Lieber Josef
Nun bin ich in meiner neuen Kaplanei eingerichtet.*551 Das Chaos hat eigentlich nur zwei Tage gedauert. Ich mache mich aber bereits auf eine weitere Wanderung gefaßt. -
Für Deinen lieben Brief vielen Dank. Er hat mir rechte Freude gemacht.
Dein Plan für die Übersetzung der Universitätsschriften Ns gefällt mir sehr gut.*552 Denke daran, wenns erst einmal soweit ist. - Roloff war vor einigen Tagen auf der Durchreise hier. Ihm hat die Broschüren-Idee*553 auch gut gefallen; und er hat seine Mitwirkung zugesagt. - Die Fugel-Arbeit wäre in vieler Beziehung interessant. Einmal müßte sie, rein chronologisch, Leben und Werden bringen. Dann die Frage stellen: was bedeutet der Mann für unser religiöses Leben, in specie: für das des Volkes. Diese setzt aber die andere voraus: Was bedeutet überhaupt das Bild für das religiöse Leben, besonders das volkstümliche? Was findet es in der Volksseele vor? welchen seel. Vorgängen gibt es Ausdruck? was soll es bewirken? Hier gilt es, nicht nur allgemeine Menschenpsycho­logie mobil zu machen, sondern die Kenntnis »des Volkes«, jener ganz eigentümlichen soziologischen Realität, die soviel Verwandtschaft hat mit der anderen Realität: »die Natur«. Wie steht es zum »Gebildeten« 1) *? Wie zur »Natur«? wie zur »Kultur«? Wie kommt es z.B. daß alles Volk so leicht der übelsten sentimentalsten Kitsch-Kunst verfällt? Wie muß die Kunst sein, damit das Volk sie verstehen und lieben könne? u.s.w.
1) über »Volkstum« werde ich Dir bald einen Artikel schicken können*554; ein Beispiel dafür, wie man konstruktiv-einfühlend gerade über das etwas sagen kann, was man nicht hat.

551 Guardini war ab 21. August 1916 wieder Kaplan in St. Peter, Mainz.
552 Weiger dachte an eine Übersetzung von John Henry Newman, Idee der Universität, (wohl durch Maria Knoepfler), was allerdings nicht zustandekam.
553 Vgl. den vorangehenden Br. 65.
554 Nicht ermittelt.

 < Seite 193>