Romano Guardini Online Konkordanz
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Zum politischen Problem des Völkerbundes
[1925]

Man kann das Problem des Völkerbundes so anfassen, daß man fragt: Was haben wir von den Menschen zu erwarten, die ihn bilden? Von den Mächten, die ihn heute in der Hand haben? Von den Gesinnungen, die ihn tragen? Das wäre die augenblicklich-praktische Seite der Sache.
Oder: Ist er in seiner jetzigen Struktur richtig gebaut und arbeitsfähig? Vermag er, was er will und soll? Hier liegt die organisatorische und, darüber hinaus, die rechtliche Seite der Frage.
Oder: Geht die ganze Völkerbundsarbeit von den rechten Voraussetzungen aus, sobald wir sie an den sittlichen und religiösen Maßstäben messen? Und welches sind diese Maßstäbe? Dies die ethische Seite des Problems.
Dann aber ist die im engsten Sinne "politische" Fragestellung möglich. Sie könnte etwa so angesetzt werden: Ist der Völkerbund, bzw. alles, was an Gedanken, Menschen, Einrichtungen mit diesem Worte zusammenhängt, eine politische Wirklichkeit?
Zunächst: Ist er Symptom? Ausdruck einer vorhandenen und wirkenden Gedankenströmung, einer Neigung, eines Wollens, das auf eine bestimmte Behandlungsweise außenpolitischer Fragen gerichtet ist? Ausdruck also einer sich ankündigenden politisch-psychologischen Situation? Oder aber ist er bloß Sache einiger Weniger, ohne alle Grundlage in politischen Realitäten - zu welchen Realitäten, wohlgemerkt, auch wirksame Stimmungen, entwicklungsfähige Gedanken gehören? Ja zugegeben selbst, er wäre nur Mache - weist dann die Tatsache, daß gerade er als brauchbares Instrument für Machenschaften gewählt worden ist, darauf hin, daß politisch-psychologisch auf

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