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Zwei Reden zur Trauung *62 I. Was euch heute geschieht, ist ein Anfang. - »Anfang« bedeutet nicht nur, daß bis jetzt etwas nicht war, und von nun an ist es; sondern der Anfang ist ein Geheimnis: Im Anfang schlägt das Leben die Augen auf, und tritt in sich selbst, und geht voran. Und wenn der Anfang rein ist und ungebrochen, dann liegt in ihm bereits die Fülle des kommenden Geschehens ... Am Ende steht dann wieder etwas Bedeutungsvolles: die Vollendung. Auch sie meint nicht nur ein Äußerliches, etwa daß bisher etwas war und nun hört es auf, sondern auch Vollendung ist ein Geheimnis: daß dies Lebendige sein Maß erfüllt hat; daß es geworden ist, was ihm zugemessen war - wenn es das wirklich geworden ist, und nicht vielmehr sich selbst vergeudet, oder verfehlt hat, und nun nur abbricht. Diese Erfüllung aber meint nicht nur ein Soundsoviel, sondern daß dieses Lebendige voll geworden sei in seinem Ende; geprägt und gültig; endgültig. Zwischen Anfang und Vollendung aber liegt der Raum des Geschehens und das breite Feld des Kampfes. Wenn der Anfang rein war, dann versinkt er nicht mit dem Augenblick, worin das Lebendige angehoben hat, sondern er bleibt im Neuentsprungenen gegenwärtig. Lebend geht das Lebendige von seinem Anfang fort, in die Entfaltung, in die Vollbringung, in den Kampf hinein. Jener aber, wenn er stark war, läuft mit. Er steht nicht nur vorn und wird verlassen, sondern er läuft unter allem Geschehen hin, als Quelle, die mit dem Fluß wandert. Er quillt unter jedem Tun, unter jedem Widerfahren, unter jedem Wachsen und Absinken, unter Fülle und Armut - ewige Quelle; geheimnisvolle Tiefe, aus welcher Tag und Gestalt steigt; mütterlich bereiter Schoß und wachsame Hut. | ||
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