Romano Guardini Online Konkordanz
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Aber heut komme ich selber noch als Bittender. Ich habe einige recht große Anliegen. Nicht wahr, Du denkst daran? Auch Dein Mütterlein? Das soll Dir keine neuen Sorgen machen, hörst Du? Aber grad im Leid hat eine Fürbitte manchmal besondere Kraft, denke ich.
Wie ists mit dem Kommen?
Herzliche Grüße -
Dein Romano

30.
Brief vom 13.07.1913, Freiburg.
Freiburg 13. VII. 13.
Lieber Josef!
Heute, eben habe ich Deine Allerseelenpredigt gelesen.*225 Wie schön, wie schön! Weißt Du, ich hab Predigten nie lesen mögen, aber die hat mich ergriffen. Wie sind die Gedanken so stark, fest, tief - kein Zugeständnis an Stimmung und Gefühl, und doch fühlt man's wie tiefe Wasser unter den klaren, starken Sätzen rauschen! Die große, katholische Kraft fühl ich aus ihnen, die aus dem Dogma, aus Gottes Autorität spricht, die aller Menschenwillkür entrückt ist und doch so stark in sie hineingreift, weil die transzendenteste Gnadenwelt zugleich die ganze Natur bis in ihr Innerstes voraussetzt. O, wie wird hier wieder der Gedanke lebendig, der mich so oft berührt, wenn ich in Deine Nähe komme, daß der Katholizismus allein wahr ist, und allein Macht hat, weil er allein, gerade weil er aus Gott kommt, das ganze wirkliche Leben umfaßt, er allein ihm mit Macht und Liebe zugleich, mit Autorität und zartester Schonung entgegentreten kann. Den spüre ich hier und wie kommt mir unser modernes Reden vor ihm so entwurzelt, so dünn und lebensfremd vor!
Ich wollte Dir erst eine kleine Nachmittagpredigt schicken, die ich heute hielt; es ist aber nichts daran. Doch nimms trotzdem, als Zeichen, daß ich oft an Dich denke.*226

225 Die Lektüre einer Allerseelenpredigt im Juli erstaunt; das Datum ist aber unmißverständlich.
226 Nicht erhalten.

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