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Der Glaube an die Gnade und das Bewußtsein der Schuld I. Die Gnade ist Voraussetzung, innere Gestalt und wirkende Kraft des christlichen Daseins. So hängt das christliche Selbst-Verständnis davon ab, daß verstanden werde, was die Gnade ist. Diese Abhandlung sucht den Zugang zu ihrem Wesen von einem besonderen Problem her, dem der Schuld. Sie fragt: Welche Bedeutung hat es für das Bewußtsein eines Menschen von der Schuld, wenn dieser Mensch an die Gnade glaubt? Wir werden uns zuerst klarmachen müssen, was es heißt, an die Gnade zu glauben. II. Der Vorstellung von der Gnade begegnen wir auch im allgemeinen Bewußtsein. So etwa im Rechtsleben. "Gnade" bedeutet da den Akt, durch den der höchste staatliche Autoritätsträger eine verwirkte Strafe erläßt. Dieser Akt setzt die Überzeugung voraus, daß es zwei Weisen gibt, wie im Bereich des Staates und seines Gesetzes die Tatsache des Verbrechens bereinigt werden kann: einmal die normale, durch Urteilsspruch und Strafvollzug; dann aber auch eine außergewöhnliche, wobei keine Strafe erfolgt und dennoch "Gerechtigkeit" hergestellt wird. Über der Gesetzesnorm, welche die Strafe fordert, steht also eine Instanz, die, ohne das Gesetz anzutasten, den Sachverhalt der Schuld von einem Punkt her aufarbeitet, der höher liegt als das bloße Gesetz und einen besonderen Charakter der Lebendigkeit hat. Eine entsprechende Vorstellung findet sich im Bereich des kulturellen Schaffens. Auch hier bezieht sie sich auf den Begriff | ||
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