Romano Guardini Online Konkordanz
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man den Dienst darin, die Plage, nicht erkennt und annimmt. Dieses, die tägliche Härte, das Fallen, In-Schuld-Geraten und dennoch Aushalten - das ist Moses. Und daß man den Ertrag mit lebenden Augen nicht mehr sieht. Vorher kommt der Tod. Worum wir uns mühen, bekommen wir auf Erden lebend nicht in die Hand. Es ist schon viel, wenn uns der Blick hinein vergönnt wird. Einst aber kommt es.

V. Richter und Prophet *10
Unter Josue wird die Eroberung des verheißenen Landes vollzogen. Dann aber folgt eine schlimme, lange, fast dreihundert Jahre währende Zeit. Nachdem Moses gestorben, und die erste Generation der Eingewanderten, die sich noch der großen Zeiten des Zuges durch die Wüste erinnern konnte, ihm gefolgt ist, vergißt das Volk Gott. Das heilige Zelt steht wohl noch. In ihm wird durch das Geschlecht Aarons der heilige Dienst verrichtet, und jedes Jahr kommen viele, um anzubeten und um Segen zu bitten. Aber es ist kein lebendiges Gottesbewußtsein mehr da. Überall wird das Volk in die heidnischen Kulte hineingezogen. Diese sind farbig, geheimnisvoll, voll tiefsinniger Symbolik, zugleich voll verlockender Sinnlichkeit. So bedeuten sie eine große Verführung, und der Bund vom Sinai wird vergessen.
Das Verderben geht ins Blut. Die verschiedenen Stämme des Volkes entzweien sich und wenden sich gegeneinander. Ein Kampf aller gegen alle entsteht. Das Land ist rechtlos. Überall Chaos, Willkür, Gewalttat. Feindliche Völkerschaften erstarken; benutzen die Wirrnis, werden Herr über das Volk; drücken es mit erbarmungsloser Knechtschaft. Da geht es in sich; erinnert sich des Herrn, schreit zu Ihm. Gott hört sie; ruft einen Mann, der irgendwo lebt; begabt ihn mit Weisheit und Starkmut, und er greift in das Chaos. Er spricht Recht nach Gottes Gesetz. Er schlichtet die überall wütenden Streitigkeiten. Er bringt die Kämpfe zum Stillstand; bändigt Gewalt und

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