Romano Guardini Online Konkordanz
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Prinzipielles und Praktischeszur Organisation von Schülern höhererLehranstalten
[1919]

1. Wer noch gezweifelt hatte, ob die neue Bewegung unter der deutschen Jugend tief gehe, ist wohl durch die Ereignisse der letzten Zeit zur Klarheit gekommen. Man wird auf die Jahre der Romantik oder gar auf die Zeit der fahrenden Schüler zurückgehen müssen, um Ähnlichem zu begegnen.
Vielleicht lassen sich die äußerst reichen und verschiedenartigen Erscheinungen dieser Bewegung auf folgende Grundzüge zurückführen.
Da ist vor allem der Drang, nach eigenem Antrieb und eigenem Bedürfnis, frei und selbständig sich eine Welt zu schaffen. Die Jugend will nicht mehr aus der Hand der Erwachsenen fertige Ziele und Formen für ihr Jugendleben empfangen, sondern selbst suchen und hervorbringen, was ihr gemäß ist. Schule und Elternhaus werden, trotz aller Umgestaltung, im Grunde doch stets autoritär geleitet sein. Aber neben ihnen will die Jugend ein eigenes Reich aufbauen, in dem sie selbst Schöpfer und Regent ist.
Und was soll dies Reich enthalten? Eben Jugendleben! Das »Schülerideal», das früher vielen vorschwebte, war ältlich, greisenhaft. Es galt, möglichst geschickt zu verbergen, daß man jung war; möglichst täuschend die Erwachsenen - und was für Erwachsene! - nachzuahmen: Rauchen, Trinken, Straßenlaufen; Poussieren, törichtes, gezwungenes Wesen in Kleidung und Benehmen. Heute stellt sich die Jugend bewußt gegen all das. Sie will vor allem sie selber sein: jung! Will ein frisches, natürliches, frohes Leben führen, das aus eigener Tiefe quillt. Jung auch in dem Sinne soll ihr Leben sein, als es gilt, sich von so

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