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32. Brief vom 09.10.1913, Freiburg. (auch 10.10.1913) (auch 12.10.1913) Freiburg, 9. Okt. 13. Lieber Josef! So, nun bin ich ein bischen bei Dir. Habe heute drei Stunden lang diktiert, etliche durchkorrigiert und freue mich jetzt, Dir ein wenig zu erzählen. Eine gute Nachricht habe ich. Mir wurde gesagt, daß die Caritasdruckerei jedenfalls geneigt sein würde, das Buch zu nehmen.*248 Also versuche ich es zuerst bei Herder, geht es dort nicht, dann bei der »Carität«, wie sie Auer*249 nennt. Ich bin so froh, daß Dir das Buch gefällt.*250 Nun denke ich bei mancher schönen Stelle an Dich und Dein Mütterlein und habe doppelte Freude daran. Es muß Dir ja auch gefallen. Trinität, Christus, Kreuz und Sakrament sind sein ganzer Inhalt. Nichts Phantastisches oder Sentimentales; sondern die ganze kristallene Klarheit der Theodizee ist darin (- mir kommts übrigens, daß gerade dieser Teil der Philosophie, die natürliche Gotteslehre, Deinem Mütterlein unendlich viel sagen müßte, meinst Du nicht? - ) überstrahlt vom Licht des Mysteriums. Und eine Liebe - ja, ich muß schon an Jemand andres denken, um aus ihm heraus ein wenig mitgehen zu können. Das scheint mir besonders groß an dieser Frau, daß ihr ganzes praktisches Leben aus dem Mittelpunkt kommt. Es ist nichts als die tatgewordenen göttlichen Vollkommenheiten. Sie erkennt Gottes Einfachheit, und das gibt ihr Kraft, die Versuchungen gegen Glauben und Vertrauen zu überwinden; sie hat zu leiden, und der Gedanke, daß Gott nicht leiden kann, macht sie froh. Das ganze christliche Leben ist ja nichts anderes, als der gelebte Gottesbegriff. Nichts anderes, das möchte ich besonders jemand anders sagen, der ja auch diesen Brief lesen wird. Und diesen Gott, dessen Vollkommenheit unser Leben bestimmen soll, können wir uns »nicht christlich genug« denken, nicht gütig, weit, vornehm, großherzig, adelig genug. Nicht wahr? 248 Gegensatz und Gegensätze. Entwurf eines Systems der Typenlehre. Als Manuskript gedruckt, Freiburg i. Br., Caritas Druckerei, Juli 1914, 20 S (M ). 249 Heinrich Auer, damaliger Lektor bei der Caritas Druckerei Freiburg; vgl. Br. 44. 250 Lucie Christine, Journal Spirituel (in Guardinis Übersetzung: Geistliches Tagebuch) 1870-1908 (M 67). | ||
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