Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 139> 


Parzival
[1922]

Es war vor einiger Zeit, eines Abends im Wald. Alles stand in kühlem Licht. Da wurde mir mit einem Mal die alte Mär so lebendig, daß ich meinte, ich sehe ihn zwischen den schweigenden Stämmen daherkommen, den Ritter auf dem roten Streitroß Jthers von Gahavies. In langem Schritt ging das Roß, stät und schwer von weiten Wegen. Vieler Straßen Staub lag auf des Ritters Gewand. Von vielen Kämpfen waren ihm Schild und Panzer zerhauen. Im Antlitz tiefe Furchen und schmerzenden Wissens voll der Mund. Aber um die unbeugsam entschlossenen Lippen schien eine Jugend zu schlummern, bereit, in frohem Lächeln zu erblühen. Ruhig gingen seine Augen über alles am Weg. Den weiten Dom der Baumkronen sahen sie und den zierlichen Farn am Boden. Aber es war, als schauten sie doch durch alle Dinge hindurch, in weite Ferne, zu einem Ziel, davon ein sehnsüchtiger Glanz in ihrem Grund widerstrahlte.
Parzival wars. Und ich wußte: Die Märe ist nicht tot. Wieder reitet er durch die Welt und sucht den Gral.
Brüder und Schwestern, Quickborns Seele ist Parzival!
Seit Jahren ist er ausgezogen, und sucht. Wie der Sohn der Herzeleide ist Quickborn. Ein Tor so oft in den Augen der Weltklugen - o, Brüder, und Schwestern, daß er doch nie deren Lob verdiente! - Verkannt von vielen. Falsch gelobt von manchen. Wirklich verstanden und mit rechter Liebe geliebt von wenigen. Allezeit sucht er. Er weiß sein Ziel, und kann doch keine Rechenschaft darüber geben. Trägts im Herzen, und muß doch immer wieder verstummen, wenn man fordert, daß er es mit Begriff und Wort aussage. So manche Irrfahrt hat er hinter sich; Torheiten und Fehler genug. Jeder Kaltherzig-Kluge, jeder Mißtrauische und Feindselige kann mit gewichtigen

 < Seite 139>