![]() | Treffernummer: |
< | Seite 194 | > |
Isola, Sonntag, 11. Okt. 53 Der Garten – schon mehr ein Park – ist wunderschön. Es hat in den vergangenen Monaten so viel geregnet, daß alles Grün noch in frischer Kraft steht. Das Wetter ist herrlich klar, und unter den schönen Bäumen hinzugehen, macht manchmal für einen Augenblick ganz glücklich. Ein Baum ist ein Urding; voll Geheimnis und zugleich sich selbst als sichere Wirklichkeit bezeugend. Und wie stark diese Bezeugung sich in immer neuen Gestalten vollzieht! Wie entschieden ist die Baum-Magnolie sie selbst mit ihren festen, glänzenden Blättern, die wie Dinge sind und im Winter nicht fallen ... Die Blutbuche, aufsteigend in klarem, durchmodelliertem Stamm und eine Welt aus dem Raum herausgreifend ... Die Deodarbäume, deren Zweige unten sich auf den Boden niederbreiten, um sich dann immer stärker hinaufzuheben, bis sie zu einer stumpfen Spitze zusammengehen und das Ganze eine mächtige Pyramide bildet ... Die Silberpappel, wirklich hell wie graugrünes Silber an Blättern und Gezweig ... Der »Gingko biloba«, mit den seltsamen Blättern, im Sonnenlicht ganz golden, vor welchem man an Goethe denkt ... Die Pinie – pina maritimo –, die einen Eindruck von so freier Höhe erweckt und mir immer das Gefühl südlicher alter Geschichte erweckt ... Und endlich die Libanonzeder, mit ihrer herrlichen, Anmut gewordenen Mächtigkeit ... Schön ist das alles. Deutlich, sprechend, und immer wieder ins Unsagbare zurücktretend. Seit fast dreißig Jahren bin ich – die schlimmen des Krieges bis 48 ausgenommen – immer wieder hier herumgegangen. Fast alle Vorlesungen sind hier entstanden, die nachher sich zu Büchern geformt haben. Aber nie habe ich das Gefühl gewinnen können, das alles gehöre uns, und also auch mir. Immer war es nur eine Erlaubnis, darin zu sein. (Ebenso, wie vor dem schönen Haus, das so wunderbar ausgeglichen ist.) Mir ist dieser Tage wieder zu Bewußtsein gekommen, wie sehr mein Denken dem künstlerischen Schaffen ähnelt. Zuerst sucht es herum, bis es den fruchtbaren Punkt gefunden hat; | ||
< | Seite 194 | > |