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Religiöser Ausdruck [1925] Dostojewski's "Idiot" und Nikolai Lesskows Novelle "Der Versiegelte Engel" *1 scheinen zunächst nicht viel gemeinsam zu haben. Dennoch kann ich die beiden Dichtungen nicht mehr voneinander lösen. Sie sind mir verbunden durch ihre besondere religiöse Intensität. Und zwar scheinen sie mir förmlich zwei Weisen zu repräsentieren, wie das Heilige ausgedrückt werden kann. Vielleicht darf ich erzählen, wie mir der religiöse Charakter von Dostojewskis Schöpfung zum ersten Mal nahekam; es ist für den Zusammenhang dieses Aufsatzes nicht unwesentlich. Das Evangelium des heiligen Johannes enthält eine eigentümliche Schwierigkeit. Liest man Matthäus, Markus, Lukas, die Synoptiker, so ist da viel dichtes Geheimnis und dennoch eine schlichte Klarheit. Worte und Geschehnisse laufen in einer Ebene, die jener des durchschnittlichen alltäglichen Lebens nicht allzufern scheint. Und wenn auch hinter jedem Worte das Geheimnis Gottes steht, so empfängt dieses durch die schlichte Gegenwärtigkeit des Erzählten doch eine fast selbstverständliche Klarheit. Ganz anders Johannes. Der ist von Geheimnis in einem anderen Sinne durchtränkt. Aber "Geheimnis" ist nicht das richtige Wort. Er fordert Einspruch, Widerstand heraus. Da stellen die Pharisäer eine Frage, Christus antwortet, und man kann nicht recht verstehen, inwiefern, was er sagt, eine Antwort sein solle. Da begibt sich etwas, Menschen stehen umher, und Christus redet, aber so, daß man nicht begreift, wie diese Worte in die Lage überhaupt hinein gehören. Das *1 Gesammelte Werke, Beck, München, (bis jetzt 1-4), I, 211 ff. | ||
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