Romano Guardini Online Konkordanz
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Zur Einführung

Die betende Kirche steht an der Schwelle der Apostelgeschichte. Sie erfleht die Sendung des Heiligen Geistes *1, sie stärkt sich in charismatischer Ergriffenheit betend zum Martyrium *2, sie wacht fürbittend vor dem Kerker des Petrus *3, sie umgibt das geheimnisvolle Brotbrechen mit unablässigem Gebete und schafft so ihre Liturgie. *4 Als Orans erscheint die Urkirche in der Morgenfrühe des Christentums. In ihr hat sich die Bitte der Jünger erfüllt: Herr, lehre uns beten. *5 Gleich einem kleinen Samenkorn ist das Vaterunser zum starken Baume ausgewachsen. Christi Gebet ist aufgeblüht zum ewigen Gebete der Kirche. Ihre Liturgie ist der Hauch des betenden Christus, des verklärten Hohenpriesters. Dieses göttlich heilige und menschlich-edle Gebet Christi klingt fort in dem nie verstummenden Weltgebete der Kirche.
Die Kirche ist die Vereinigung der wahren Anbeter Gottes. Ihr Beten ist nie ein bloß von der Not ausgepreßter Hilferuf. Auch ihr Bitten und Klagen ist gemäßigt, veredelt: durchzittert von liebender Anbetung, durchleuchtet vom Glauben an Christi Sieg, von selbstloser Kinderfreude an der Größe und Glückseligkeit des Vaters. Die Kirche steht ruhig und sicher inmitten der argen Welt. Was gibt ihr die Kraft zum Stehen? Sie betet.
Nicht Versammlungen, Reden, Demonstrationen, nicht Staats- und Völkergunst, nicht Schutzgesetze und Unterstützungen machen die Kirche so riesenstark. Wohl kann nie genug geschehen in Predigt, Beichtstuhl, in Volksmissionierung, tüchtigem Religionsunterricht, nie genug in der allseitigen Pflege christlicher Nächstenliebe. Aber das alles sind nur äußere Leistungen jener verborgenen Kraft. Es wäre verkehrt, die Hauptsorge den Leistungen zu widmen und dabei zu versäumen,
*1 Apg 1,14.

*2 Apg 4,24ff.

*3 Apg 12,5.

*4 Apg 2,42.46.

*5 Lk 11,1.

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