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Die Glaubwürdigkeit des Erziehers *1 [1929] I. In diesen Tagen wollen wir zu sehen versuchen, was der Inhalt unserer Aufgabe als Erzieher sei; Ziele und Wege. Das aber bliebe ohne letzten Ernst, wenn wir uns nicht zugleich eine andere Frage stellten, und für sie ist die Kapelle, die "Kammer Gottes", der rechte Ort. Wenn ich einen Menschen erziehen soll, dann blicke ich ihn an; suche ihn zu verstehen; frage nach seinem Wesen, und ob er ist, wie er sein müßte. Ich stelle ihn also unter eine Kritik. Und ich nehme mir das Recht, zu sagen: Tue dies! Unterlaß jenes! Entspricht er dem nicht, dann sage ich: Du hast falsch gehandelt! Jeder aber, der erziehen will, fühlt irgendeinmal die Frage: Wie kommst du eigentlich dazu, einen andern erziehen zu wollen? Woher nimmst du das Recht zu durchblicken, zu beurteilen, zu fordern? Wenn der Mensch eine Person ist, mit Freiheit und Würde - wie kommst du dazu, diesem Menschen sagen zu wollen, wie er werden soll? Jedenfalls kann ich nicht sagen: Ich erziehe, weil ich selbst erzogen bin. Ein Mensch, der so sagte, verdiente, wieder in die Schule geschickt zu werden. Er hätte nicht begriffen, daß wir nie "fertig" sind, sondern beständig wachsen und werden. Eine andere Antwort wäre richtiger: Weil ich selbst um das Erzogensein kämpfe. Dieses Kämpfen gibt mir meine erzieherische Glaubwürdigkeit. Daß derselbe Blick, der sich auf den anderen richtet, auch auf mich selbst gerichtet ist. *1 [Anmerkung der Herausgeber der Zeitschrift "Die Schildgenossen": Das Folgende stellt ein durchgesehenes Stenogramm der Ansprachen dar, die Romano Guardini während der pädagogischen Tagung auf Burg Rothenfels im Oktober 1928 morgens in der Kapelle gehalten hat. Also nichts Ausgeführtes, sondern nur kurz die leitenden Gedanken]. | ||
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