Romano Guardini Online Konkordanz
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Lucie Christine. Geistliches Tagebuch
[1920]

Vorwort des Übersetzers
zur ersten und zweiten Auflage
Durch ein volles Jahrzehnt haben die Aufzeichnungen Lucie Christines den Übersetzer nun bereits begleitet. In guten Stunden hat er sich ihrer klaren Schönheit gefreut; über manche schwere Zeit haben sie ihm hinweggeholfen, und kaum einmal hat er sie aus der Hand gelegt, ohne irgendeine Gabe aus ihrer friedvollen Fülle empfangen zu haben. So glaubt er, annehmen zu dürfen, das Buch sei auch anderen zu spenden bestimmt. Nicht nur das. Er meint, es sei eines jener Geisteserzeugnisse, auf die man sich innerlich beruft, wenn man von kommenden Tagen der Erneuerung spricht. Im Laufe von dreißig Jahren ist es entstanden; vor zwölf Jahren war es vollendet; was es aber eigentlich wirken soll, liegt noch in der Zukunft.
Man hat oft vom Lebenswert der Dogmen gesprochen. Damit hat man, und mit Recht, sagen wollen, jene erhabenen Wahrheiten dürften nicht bloß theoretische Sätze bleiben, die anerkannt und gedanklich erfaßt werden, im übrigen aber im Buche stehen bleiben, sondern sie seien Leben und müßten Leben schaffen. Das ist nun das erste Große, was dieses Buch gibt: es läßt uns in ein Menschenleben schauen, in welchem die christliche Wahrheit Gestalt geworden ist. Gott, Dreieinigkeit, Menschwerdung, Schöpfung, Erlösung, Reich Gottes - all diese Geheimnisse werden fruchtbar in Einsicht, Gesinnung und Werk, Tag um Tag, in Freuden und Schmerzen und allem, was Menschendasein ausmacht. Man horcht auf, wenn man liest, wie selbst die entlegensten Wahrheiten des Glaubens, Dinge, die sonst nur für die theologische Überlegung Bedeutung zu haben schienen, sich hier unmittelbar in Leben umsetzen.

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